Denk doch, was du willst
reinen Tisch und erzählte allen Anwesenden sowie den Zuschauern zu Hause, dass sich Jay – der sie wirklich nicht besonders mochte – mit ihr vor der Sendung getroffen habe, um mit ihr eine Absprache zu treffen. Sie würden im Camp vor aller Welt eine Liebesbeziehung fingieren, um so mehr Popularität zu bekommen. Dieses Geständnis ging hoch wie eine Bombe. Jay dementierte das für meine Begriffe ein wenig zu heftig. So eine Absprache sei niemals gelaufen und Sarahs Behauptung sei – Achtung, schöner deutscher Begriff – Bullshit, so Jay.
Es tut mir wirklich leid, dass dieses Kapitel so vulgär ausfällt, ich kann ja auch nichts dafür, ich zitiere doch nur. Am nächsten Tag liefen bei meiner Agentur die Telefone heiß. Alle Privatsender sowie zahlreiche Boulevardmagazine wollten meine Einschätzung einholen. Hat Jay gelogen – oder Sarah? Meine Einschätzung: Jay hat zwar nicht die Wahrheit gesagt, aber auch nicht gelogen. In seinem Gesicht sah man klare Anzeichen von Angst und Verachtung. Allerdingsdarf man hier nicht den sogenannten Othellofehler begehen. Der besteht darin, die Angst in den Augen eines anderen Menschen als ein Schuldeingeständnis zu deuten. In diesem Fall als einen Hinweis auf eine Lüge. Angst kann auch entstehen, wenn man sich fälschlicherweise angeklagt fühlt. So ging es übrigens der Frau von Othello. Nachzulesen bei William Shakespeare. Daher kommt der Name Othellofehler. Nachzulesen bei Ekman. Ich deutete die Situation folgendermaßen: Sarah Knappik log nicht. Jay log zwar auch nicht, aber er sagte auch nicht die Wahrheit. Er hatte sich vielleicht sogar vor der Sendung mit Sarah getroffen, daher das Entsetzen in seinem Gesicht. Allerdings wäre eine solche Verabredung für Jay keine wirklich große Sache gewesen. So läuft das halt im Showgeschäft. Daher kein Zeichen von Reue oder irgendein anderes Indiz für eine Lüge.
Die Signale beim Lügen bestehen immer darin, dass sich das Verhalten des vermeintlichen Lügners auf irgendeine Art und Weise plötzlich verändert. Ein verlässliches Zeichen ist also immer eine Bewegung oder eine Geste, die vorher so noch nicht zu beobachten war. Wenn Ihr Gesprächspartner plötzlich seinen Mund mit der Hand verdeckt – oder auch nur einen Mundwinkel –, kann das schon ein klarer Hinweis fürs Lügen sein. Es mag aber auch angehen, dass er damit Skepsis zum Ausdruck bringen will – oder sich gleich übergeben muss. Um das rauszufinden, brauchen Sie weitere Indikatoren und viel Intuition. Insgesamt stehen uns drei Ebenen zur Verfügung, auf denen wir eine Lüge entlarven können:
die nonverbale Kommunikation wie Gestik, Mimik, Sprache,
welche Wörter werden benutzt, wie ist die Betonung,
körperliche Hinweise wie Änderung der Pulsfrequenz oder schwitzende Handflächen.
Beschäftigen wir uns zunächst mit Körpersprache und Mimik. Die Signale, die ich Ihnen hier vorstelle, sind universell, was ihre Bedeutung angeht. Das heißt, sie sind weitgehend unabhängig von der jeweiligen Kultur, gleich ob Sie diese Signale also bei einem Menschen in Timbuktu oder Schmelz-Außen sehen, die Emotion dahinter ist voraussichtlich stets dieselbe. Hinzu kommt: Wir können, wenn wir unter Druck stehen, nur sehr schwer anders reagieren als hier beschrieben. Das ist auch einer der Gründe, warum sich gerade Pokerspieler mit genau diesen Signalen sehr genau beschäftigen. Aus dem Pokerjargon kommt auch der Name für solch verräterische Gesten. Man nennt sie – auch im Deutschen – Tell. Das ist also eine Geste, die etwas anderes, etwas Verborgenes von uns verrät. Nachdem ich mir gerade in diesem Kapitel viele Zeilen genommen habe, um über englische Begriffe in der deutschen Sprache abzulästern, werde ich die Tells hier weiterhin als verräterische Gesten bezeichnen. Sie sollten aber wissen, was ein Tell ist.
Diese Gesten können je nach Situation und Kontext natürlich verschiedene Bedeutungen haben. Falls Sie sich wundern, warum ein Mensch in einer gewissen Situation einen bestimmten Gesichtsausdruck zeigt oder eine spezielle Geste macht, und falls Sie deren Bedeutung einfach nicht zuordnen können, habe ich einen guten Trick für Sie: Stellen Sie sich einfach vor, Sie würden diese Geste selbstausführen. Wie fühlt sich das an? Vor dem Fernseher ist es noch einfacher. Machen Sie den im Fernsehen gezeigten Gesichtsausdruck oder die Geste einfach nach. Nachdem die Energie der Aufmerksamkeit in beide Richtungen folgt, bestimmt Ihre
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