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Denkanstöße 2013

Denkanstöße 2013

Titel: Denkanstöße 2013 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Nelte
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in der Musik, vor allem im Rapp, angekommen. Fremde Kulturen und Sprachen hatten schon immer eine subversive Kraft.
    Komisch ist aber, dass sich der Anteil der Anglizismen offenbar nicht erhöht hat, wenn man einmal von den Ausdrücken in der Computer- und Internetwelt absieht. Das würde man doch eigentlich erwarten?
    Die englische Sprache hatte über Generationen einen enormen Einfluss auf Jugendliche, und von allen Sprachen hat sie vermutlich immer noch die größte Bedeutung. Aber sie ist als Globalsprache immer mehr zu einem nüchternen Kommunikationsmittel geworden, zur Sprache der Finanzwelt, der Wissenschaft, der Kommunikation im Netz, der Technologie. Englisch – das weiß jedes Kind – braucht man einfach in unserer Welt. Vielleicht fehlt dem Englischen deshalb auch zunehmend die Frische, das Aufmüpfige, das Quere, das die Jugendlichen so lieben. Sie wollen nicht wie die Etablierten reden.
    Wenn man das Jugendsprache-Lexikon liest, fallen ein paar Dinge besonders auf: Erstens gibt es eine unverhältnismäßig große Anzahl von unschmeichelhaften Ausdrücken für die älteren Generationen (Gruftspion, Grabverweigerer, Restpostenparty). Zweitens gibt es besonders viele Ausdrücke für Dummkopf und Idiot (Vollhorst). Viele Wendungen sind oft sozialdiskriminierend (Maurerbibel), andererseits auch wieder selbstironisch (Pubertätshelikopter). Was außerdem auffällt, ist die Häu figkeit von Abkürzungen und das Prägnante dieser Sprache.
    Sich von den Erwachsenen abzugrenzen, war schon immer ein großes Bedürfnis von Jugendlichen. Sich herablassend über sie zu äußern, ist eine Möglichkeit dazu, wobei man gerechterweise anfügen muss, dass die Erwachsenen verbal auch über die Jugendlichen herfallen. Viele Jugendliche wollen bei den Gleichaltrigen als stark gelten und glauben das mit herablassenden Ausdrücken erreichen zu können. Wenn ein Jugendlicher einen anderen als »Vollhorst« bezeichnet und die Freunde ihm auch noch zustimmen, kommt er sich klüger vor als der Abgewertete. SMS und E-Mails sind die dominierenden Kommunikationsformen geworden. SMS dienen nur zu einem kleinen Prozentsatz der eigentlichen Informationsvermittlung. In erster Linie sind sie ein Mittel, um Beziehungen aufzunehmen und aufrechtzuerhalten. Kein Wunder, dass sich Abkürzungen und Ikons einer großen Beliebtheit erfreuen, zumal SMS-Botschaften auf 160 Zeichen beschränkt sind.
    Jugendliche erlernen Sprach- und Zeichencodes mit Leichtigkeit – nicht so Erwachsene. Letztere sind von der Komplexität und Geschwindigkeit der elektronischen Medien oft überfordert.
    Es ist ja wirklich beeindruckend mit welchem Tempo SMS – vor allem von jungen Frauen – geschrieben werden. Dass dabei Beschwerden in den Daumengelenken auftreten können, erstaunt nicht. Erwachsene können dem Spaßfaktor, der Jugendlichen so wichtig ist, wenig abgewinnen. Schließlich befürchten viele Erwachsene eine Simplifizierung und Verluderung der Sprache durch das »Simsen«: Die Syntax verkümmert, grammatikalische und orthographische Regeln werden schwerwiegend verletzt.
    Sprachwissenschaftler haben sich der neuen Kommunikationsformen und eventueller negativer Auswirkungen angenommen – und haben Entwarnung gegeben. Es gibt keine Anhaltspunkte für einen Niedergang der deutschen Schriftsprache, so zeigen Untersuchungen von schriftlichen Schularbeiten. Den neuen Kommunikationsformen darf durchaus ein Kreativitätsschub in Wort- und Formbildung attestiert werden, beispielsweise in einer poetischen Verdichtung der Sprache (Dürscheid et al. 2010). Daraus sind neue Formen der sprachlichen Gestaltung im Rap und als Poetry Slam entstanden. Darunter gibt es höchst anspruchsvolle Texte, die in ihrer formalen Gestaltung, ihrem Rhythmus, ihrer Wortwahl und ihrem Inhalt kulturelle Neuerungen darstellen. Sie können auch für ältere Generationen eine echte Bereicherung sein.
    Manche Jugendliche fangen in der Pubertät plötzlich an, Gedichte zu schreiben, und entpuppen sich dabei nicht selten als junge Genies wie Arthur Rimbaud, der noch vor seinem 21. Lebensjahr seine dichterischen Meisterwerke vollendete. Wieso kommt es in der Pubertät zu solch einem sprachlichen Kreativitätsschub? Und wie lange hält er an?
    Der Kreativitätsschub hängt damit zusammen, dass Jugendliche im

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