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Denkanstöße 2013

Denkanstöße 2013

Titel: Denkanstöße 2013 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Nelte
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besuchte, wenn er in Rom war) beobachtete aus der Ferne das Treiben.
    Â»Seine Seele ist zu zart, zu künstlerisch, zu empfindungsvoll, um ohne Frauenverkehr zu bleiben – er muß in seiner Gesellschaft Frauen haben – und sogar mehrere, wie er in seinem Orchester viele Instrumente, mehrere reiche Klangfarben, braucht. – Leider gibt es so wenig Frauen, die das sind, was sie sein sollten – klug und gut – seinem Geist entsprechend, ohne eine frevlerische Hand auf Saiten zu legen, die, wenn sie ertönen, immer schmerzlich nachklingen! – Es ist mir manchmal so traurig zumute, wenn ich denke, wie sehr verkannt er am Ende bleiben wird. Seine Triumphe erscheinen vielleicht späteren Zeiten als Bacchantenzüge, weil sich einige Bacchantinnen hineingemischt haben. Er hat sie aber nie gerufen.«
    Ganz so abgeklärt und frei von jeglicher Eifersucht, wie sie sich hier gab, war die Fürstin freilich nicht; das bewiesen ihre heftigen Reaktionen auf die Olga-Janina-Affäre. Liszt war sich jedenfalls seiner Anfälligkeit für weibliche Reize durchaus bewusst: »Anders wäre es besser – aber die Versuchung, die Phantasmen der Leidenschaft! – – Wir sind allzumal Sünder …«
    Zwei weitere Frauen, die damals in Liszts Leben erschienen, verdienen besondere Erwähnung. Zum einen die 1837 in Leipzig geborene Marie Lipsius – Tochter des Rektors der Thomasschule –, die unter dem Pseudonym La Mara eine der wichtigsten deutschen Musikschriftstellerinnen ihrer Zeit wurde und als enge und vertraute Freundin Liszts den ersten Band seiner Gesammelten Schriften und seine Briefe edierte sowie eine Biografie und mehrere kulturhistorische Abhandlungen zu seinem Leben und Werk verfasste. Zum anderen die 1833 in Mainstockheim in Franken geborene Lina Ramann; sie gab die übrigen fünf Bände seiner Schriften heraus und begann 1873/74 (quasi im Auftrag der Fürstin Sayn-Wittgenstein) mit der Arbeit an einer großen Biografie des Komponisten mit dem Titel Franz Liszt. Als Künstler und als Mensch . Hinzu kommen ihre Tagebuch-Aufzeichnungen, die posthum unter dem Titel Lisztiana veröffentlicht wurden und viele wertvolle Einblicke in Liszts privates Leben geben.
    Der Franz Liszt, der öffentlich in Erscheinung trat – ein bisschen fülliger als früher, mit schulterlangem schlohweißen Haar und in der Soutane eines Abbés (und mit den charakteristischen Warzen, die seit den späten 1860er-Jahren auf allen Porträts zu erkennen sind: über dem rechten Auge, an der linken Nasenwurzel und über dem linken Mundwinkel) –, gab nur die eine, sichtbare Seite seiner Person preis. Die andere Seite war zunehmend von Einsamkeit, Mutlosigkeit und Depressionen gezeichnet – ganz abgesehen von gesundheitlichen Problemen: Liszts Sehkraft ließ nach, er fror ständig, war oft erkältet, litt häufig unter hydropischen Ödemen und geschwollenen Füßen. (In Weimar lief er fast nur in alten, ausgetretenen Pantoffeln durch die Hofgärtnerei.) »Er war krank – hohes Fieber – phantasirte«, notierte Lina Ramann am 20. Juni 1875: »Ein langer Schlaf half ihm darüber hinweg. Derartige Zustände befallen ihn öfter; sie sind das Resultat oder das Zeichen völliger Erschöpfung.« Lediglich in seinen Briefen ließ sich Liszt manchmal dazu hinreißen, seine wahren Gefühle zu zeigen:
    Â»Der düstere Ton, den Sie in meinen letzten Zeilen beanstanden, wird mir mehr und mehr vertraut. Besser würde es sein, ganz zu schweigen: ›schweig, meid, leid und vertrag‹. Offen gestanden werde ich seit Jahren nur zum Schweigen verführt. Meine Tochter hat die gleiche Empfindung und schreibt mir heute morgen: ›man kann Ihnen nur einen einzigen Dienst erweisen: denjenigen, Sie in Ruhe zu lassen‹.«
    Cosima hatte ihren Vater seit Jahren nicht mehr gesehen und war tief erschüttert, als sie ihn mit Richard Wagner am 3. September 1872 in Weimar besuchte – der erste, wohl kalkulierte Schritt zu einer Aussöhnung, die für ihre Bayreuth-Pläne so wichtig war. »Ich bin durch die Seelenmüdigkeit des Vaters furchtbar ergriffen; am Abend, wie er kaum sprach und ich alles mögliche erzählte, […] ging mir wie die Vision des Lebens Tragik des Vaters auf – – – ich mußte nachts viel

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