Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben
Bänden
Vom Leben des Geistes
, die nach Arendts Tod erst erscheinen werden, hat Arendt sich eindeutig als Philosophin zu erkennen gegeben, obwohl sie in
einem Interview von 1964 gesagt hat, sie sei das nicht, sondern ihr Gebiet sei die politische Theorie. Arendt jedoch schafft
eine Grundlegung des Politischen aus dem Denken heraus und genau darin erweist sie sich als Philosophin. Jede politische Theorie
nämlich, die die Fähigkeit des Menschen, sich zurückzuziehen und Zwiesprache mit sich selbst zu halten, vernachlässigt, hat
einen gravierenden Mangel aufzuweisen.
In ihrem privaten Leben bleibt Arendt allen Geschehnissen gegenüber äußerst wachsam. Wie stets richtet sie ihr Augenmerk auf
die politischen Tagesereignisse und da tut sich Anfang der 70er-Jahre einiges in den USA. Präsident Nixon ist durch die Watergate-Affäre in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. In das Wahlkampfhauptquartier
der demokratischen Partei ist eingebrochen worden, eine Verbindung zwischen den Täternund dem Komitee für die Wiederwahl des Republikaners Nixon wird festgestellt. Ein echter Skandal also. Arendts Interesse gilt
aber nicht der Person des Präsidenten, sondern der Tatsache, dass hier kriminelle Energie Eingang in die Politik findet.
Gesundheitlich geht es Arendt im Jahr 1974 nicht sehr gut. Dennoch hält sie eine weitere Vorlesungsreihe über
Das Wollen.
Am 5. Mai erleidet sie in ihrem Hotelzimmer in Aberdeen einen schweren Herzinfarkt. Auf ihre Freunde und auch die Studenten wirkt
sie schon seit einiger Zeit nicht mehr so belastbar wie sonst. Der Tod lieber Menschen zehrt an ihr. Auch ihr Freund W. H. Auden ist mittlerweile gestorben. Sie fühlt sich mehr und mehr heimatlos.
Im August 1975 fliegt Arendt noch einmal nach Deutschland, um im Marbacher Archiv am Nachlass von Karl Jaspers zu arbeiten.
Aber hier in diesem kleinen Ort fühlt sie die Einsamkeit doppelt. Danach besucht sie Martin Heidegger in Freiburg, kann jedoch
weniger denn je mit ihm anfangen. Er hat sich vollständig in sich zurückgezogen, und die Atmosphäre totaler Unnahbarkeit,
die ihn umgibt, wird durch seine Taubheit noch verstärkt. Arendt kehrt nach New York zurück. Sie ist menschensüchtig, geht
viel aus, telefoniert stundenlang. Sie fürchtet sich vor dem Alleinsein und braucht Zuwendung.
Auch am 4. Dezember 1975 hat Arendt abends Gäste. Das Ehepaar Baron ist zum Essen da. Im Sessel nimmt sie den Kaffee ein und wird plötzlich
ohnmächtig. Sie stirbt an einem Herzschlag.
In Arendts Schreibmaschine steckt das Titelblatt zu dem unvollendeten dritten Band ihrer philosophischen Trilogie:
Über das Urteilen.
Mary McCarty wird den Band nach Arendts Tod aus den Vorlesungsskripten zusammenstellen und veröffentlichen. Gerade das Urteilen
war ihr ein Hauptanliegen gewesen. Dass man immer wieder in der Lage sein muss zu urteilen, neue Urteile zu fällen, alte zu
verwerfen, macht für sie das Spannende innerhalb der Welt der Politik aus. Sicher hätte Hannah Arendt zu diesem Punkt noch
einiges zu sagen gehabt.
In den letzten Jahren hat die akademische Auseinandersetzung mit Hannah Arendts Werken zugenommen. Dabei steht vor allem ihre
politische Theorie im Mittelpunkt. Eine wirklich umfassende Beschäftigung mit der Philosophin Arendt steht noch immer aus.
DAS GROSSSTADTKIND SIMONE VERBRINGT jeden Sommer mit ihren Eltern auf dem Land. In Meyrignac im Limousin hat der Großvater
ein Gut, zauberhaft gelegen, dessen hohe Pappeln, die weiten Felder mit Buchweizenähren und herrlich duftendem Heidekraut
das Kind in eine Welt grenzenloser Freiheit entführen. Im Schauen vergisst Simone die scharfen Konturen der Großstadt, ihren
Lärm und den Mangel an anregenden Düften. »Ich lernte auch, dass man, um in das Geheimnis der Dinge einzudringen, sich ihnen
zuvor hingeben muss.« 1 Die kindliche Landschaftserfahrung prägt Simones Leben und ihr Denken. Zuerst muss man in etwas eintauchen und sich ein Stück
weit darin verlieren, dann erst kann man sich auch philosophierend dessen Rätsel nähern. Davon ist sie überzeugt.
Am 9. Januar 1908 wird Simone de Beauvoir als erstes Kind von Georges und Françoise de Beauvoir frühmorgens um vier Uhr geboren.
Ihre noch sehr junge Mutter ist Bankierstochter aus der Provinz und im Kloster erzogen worden, der Vater ist Jurist. Die Pflege
des Babys wie auch der zwei Jahre später geborenen Schwester Hélène, genannt
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