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Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Ariely
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entdecken, ist nichts dagegen einzuwenden, sich so viele davon zu schnappen, wie nur irgend möglich. Kritisch wird es erst dann, wenn es zu einer Konkurrenz zwischen einem kostenlosen Artikel undeinem anderen kommt – eine Konkurrenz, bei der uns das Gratis! zu einer schlechten Wahl veranlasst. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie würden in ein Sportgeschäft gehen, um ein Paar weiße Socken zu kaufen, und zwar solche mit einer gut gepolsterten Ferse und verstärkter Kappe. Nach einer Viertelstunde verlassen Sie das Geschäft nicht mit den Socken, die Sie kaufen wollten, sondern mit einem billigeren Paar, das Ihnen überhaupt nicht gefällt (ohne gepolsterte Ferse und verstärkte Kappe), jedoch im Paket mit einem zweiten Gratispaar angeboten wurde. In diesem Fall haben Sie auf einen guten Handel verzichtet und sich stattdessen mit etwas begnügt, was Sie nicht wollten, nur, weil Sie sich von dem Gratis! haben beeindrucken lassen.
    Um zu sehen, ob dies auch bei unserem Pralinenexperiment eintrat, sagten wir unseren Kunden, sie dürften nur eine Praline nehmen – Kiss oder Trüffel. Sie standen also vor einem Entweder-Oder wie bei der Wahl zwischen zwei Arten von Sportsocken. Und genau das machte die Reaktion der Kunden auf den Gratis-Kiss so spannend: Beide Pralinen waren ja um denselben Betrag herabgesetzt. Die relative Preisdifferenz zwischen den beiden blieb also unverändert – ebenso wie der zu erwartende Genuss.
    Nach der gängigen Wirtschaftstheorie hätte die Preisreduktion keine Veränderung im Verhalten unserer Kunden nach sich ziehen dürfen – also 27 Prozent für den Kiss und 73 Prozent für die Trüffel. Und da sich im Verhältnis der beiden zueinander nichts verändert hatte, hätte die Reaktion trotz Herabsetzung des Preises genau dieselbe wie zuvor sein müssen.
    Ein zufällig vorbeikommender, seinen Spazierstock schwingender, der konventionellen ökonomischen Theorie anhängender Wirtschaftswissenschaftler hätte sicher gesagt, dassder Anteil der Kunden, die die Trüffel bevorzugten, derselbe sein werde wie zuvor. *
    Nun aber sah es ganz anders aus: Die Leute drängten sich um den Tisch, um sich einen Hershey’s Kiss zu schnappen, und zwar nicht, weil sie eine vernünftige Kosten-Nutzen-Abwägung vorgenommen hatten, sondern einfach deshalb, weil die Hershey-Pralinen umsonst zu haben waren. Wie seltsam (aber auch berechenbar) wir Menschen doch sind!
     
    Zufällig kamen wir bei anderen Experimenten zur selben Schlussfolgerung. So boten wir Hershey’s Kisses zum Preis von zwei, einem und null Cent an und die Lindt-Trüffeln entsprechend zum Preis von 27, 26 und 25 Cent, um zu sehen, ob die Preisreduzierung der Hershey-Praline von zwei auf einen Cent und der Trüffel von 27 auf 26 Cent die Prozentsätze der Käufer für die jeweilige Praline verändern würde. Das war nicht der Fall. Doch als wir dann die Hershey-Pralinen gratis anboten, veränderte sich das Verhalten der Kunden massiv. Die Käufer verlangten mit überwältigender Mehrheit Hershey’s Kisses.
    Aber vielleicht war das Ergebnis verzerrt, weil die Käufer keine Lust hatten, in ihrem Portemonnaie oder Rucksack nach Kleingeld zu suchen, oder überhaupt kein Geld bei sich hatten. Dadurch wäre dann das Gratisangebot auf »künstliche« Weise attraktiver geworden. Dies berücksichtigend, führten wir in den MIT-Kantinen weitere Experimente durch. Dabei wurden die Pralinen neben der Kasse aufgestellt wie sonst bestimmte Sonderangebote auch, und die Studenten, die gern Pralinen aßen, legten sie einfach auf ihr Tablett undbezahlten sie an der Kasse mit. Was geschah? Auch hier entschieden sich die Studenten mit überwältigender Mehrheit für das Gratisangebot.
     
    Warum ist ein Gratis! so verlockend? Woher kommt der irrationale Drang des Menschen, sich auf einen kostenlosen Gegenstand zu stürzen, auch wenn er ihn eigentlich gar nicht will?
    Ich glaube, die Antwort lautet folgendermaßen: Die meisten getätigten Käufe haben positive und negative Aspekte, doch wenn etwas gratis angeboten wird, vergessen wir die negativen Seiten. Das Gratis! gibt uns einen derartigen emotionalen Kick, dass wir das Angebotene für enorm viel wertvoller halten, als es tatsächlich ist. Warum? Ich denke, weil der Mensch eine tiefsitzende Angst vor Verlust hat. Die eigentliche Faszination des Gratis! hat mit dieser Angst zu tun. Natürlich droht kein Verlust, wenn wir uns für ein Gratisprodukt entscheiden (es ist ja umsonst). Nehmen wir hingegen an, wir

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