Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
verstießen, stieg sogar leicht an (schließlich existierten nun weder soziale noch Marktnormen).
Dieses Experiment macht eine bedauerliche Tatsache deutlich: Wenn eine soziale Norm mit einer Marktnorm kollidiert, verschwindet Erstere. Mit anderen Worten: Es ist nicht leicht, die sozialen Beziehungen wiederherzustellen. Wenn eine Rosenblüte vom Stock herabgefallen ist – wenn eine soziale Norm von einer Marktnorm übertrumpft wurde –, kommt nur selten eine neue nach.
Die Tatsache, dass wir sowohl in der sozialen Welt als auch der des Marktes leben, wirkt sich in vielerlei Hinsicht auf das Privatleben aus. Von Zeit zu Zeit brauchen wir alle einmal jemanden, um ein Möbelstück umzustellen, für ein paar Stunden auf unsere Kinder aufzupassen oder unsere Post aus dem Briefkasten zu holen, wenn wir unterwegs sind. Wie motiviert man am besten Freunde und Nachbarn dazu, uns zu helfen? Mit Geld oder vielleicht mit einem Geschenk? Und wie viel Geld sollte man geben, wie teuer sollte das Geschenk sein? Oder verzichtet man lieber ganz darauf? Dieser soziale Balanceakt ist, wie Sie sicher wissen, nicht leicht – besonders dann nicht, wenn die Gefahr besteht, dass eine menschliche Beziehung ins Reich des wirtschaftlichen Austauschs verschoben wird.
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle ein paar Antworten vorschlagen. Einen Freund bitten, einem beim Transportieren eines großen Möbelstücks zu helfen oder ein paar Kisten zu schleppen, ist kein Problem. Ihn hingegen zu bitten, viele Kisten oder Möbelstücke zu schleppen, sehr wohl – insbesondere, wenn außer dem Freund ein paar Möbelpacker da sind, die für dieselbe Aufgabe bezahlt werden. Es könnte sein, dass Ihr Freund sich ausgenutzt fühlt. Und es ist auch inOrdnung, wenn Sie Ihren Nachbarn (der zufällig Anwalt ist) bitten, während Ihres Urlaubs Ihre Post aus dem Briefkasten zu holen. Die Bitte hingegen, umsonst einen Mietvertrag für Sie aufzusetzen, was vielleicht genauso viel Zeit in Anspruch nimmt, ist es nicht.
Auch in der Geschäftswelt zeigt sich, wie schwierig es ist, das heikle Gleichgewicht zwischen sozialen und Marktnormen zu halten. Seit einigen Jahrzehnten präsentieren sich Unternehmen als Sozialpartner – das heißt, sie wollen uns gern weismachen, dass sie und wir eine Familie seien oder zumindest Freunde, die im selben Boot sitzen. »State Farm ist für Sie da wie ein guter Nachbar«, lautet ein bekannter Werbespruch. Oder nehmen wir das sanfte Drängen eines Baumarktes: »Packen Sie es an. Wir helfen Ihnen.«
Wer immer diesen Trend, Kunden wie Sozialpartner zu behandeln, in Gang gesetzt hat, es war jedenfalls eine grandiose Idee. Das Unternehmen verschafft sich damit in mehrfacher Hinsicht Vorteile. Loyalität ist alles. Geringe Verstöße – das Hochschrauben der Kosten und selbst eine mäßige Erhöhung der Versicherungsprämien – werden hingenommen. Natürlich haben Beziehungen ihre Hochs und Tiefs, aber insgesamt betrachtet, sind sie eine feine Sache.
Doch etwas ist seltsam dabei: Obwohl Unternehmen Milliarden Dollar für Marketing und Werbung ausgeben, um soziale Bindungen zu schaffen – oder zumindest diesen Anschein zu erwecken –, scheinen sie deren Wesen nicht verstanden zu haben und insbesondere deren Risiken nicht zu kennen.
Was passiert beispielsweise, wenn der Scheck eines Kunden platzt? Wenn die Beziehung auf Marktnormen beruht, verlangt die Bank eine Gebühr, und der Kunde nimmt sie zähneknirschend hin. Geschäft ist Geschäft. Die Gebühr istzwar ärgerlich, aber akzeptabel. In einer sozialen Beziehung hingegen ist eine happige Verspätungsgebühr – statt eines freundlichen Anrufs vonseiten des Sachbearbeiters oder eines automatisch generierten Gebührennachlasses – nicht nur tödlich für diese Beziehung, sondern ein Dolchstoß in den Rücken. Die Kunden werden es der Bank persönlich übelnehmen. Sie werden sich verärgert abwenden und sich groß und breit bei ihren Freunden über diese schreckliche Bank auslassen. Schließlich waren sie das Verhältnis ja unter dem Vorzeichen des sozialen Austauschs eingegangen. Unabhängig davon, wie viele Plätzchen, Werbesprüche und Zeichen gegenseitiger Freundschaft eine Bank anbietet, es reicht ein einziger Verstoß gegen die Regeln des sozialen Austauschs, und der Kunde betrachtet das Verhältnis wieder als rein wirtschaftliches. So schnell kann das gehen.
Und das Fazit? Mein Rat an Unternehmen lautet, sich zu vergegenwärtigen, dass man nicht gleichzeitig beides
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