Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
soziale Normen bei ihren Mitarbeitern etabliert haben, drohen die gegenwärtige Gier nach kurzfristigen Profiten, die Ausgliederung von Arbeitsplätzen und drakonische Sparmaßnahmen diese Normen zu unterminieren. Unter dem Vorzeichen des sozialen Austauschs gehen die Menschen schließlich (mit Recht) davon aus, dass die andere Seite, wenn sie etwas von sich hergegeben haben, für sie da ist, sie schützt und ihnen hilft. Auch wenn dies nicht ausdrücklich in einem Vertrag fixiert wird, besteht im Allgemeinen die Verpflichtung, in Zeiten der Not Fürsorge und Hilfe zu leisten.
Auch hier gilt der Grundsatz, dass Unternehmen nicht beides haben können. Besondere Sorge bereitet mir, dass die jüngsten Kürzungen der Sozialleistungen und die Beschneidung sozialer Vorteile für Arbeitnehmer – bei Kindergärten, Renten, Gleitzeit, Gymnastikräumen, in den Kantinen, bei Betriebsausflügen und so weiter – auf Kosten des sozialen Austauschs gehen und damit die Produktivität der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Vor allem könnten die Kürzungen bei der Gesundheitsfürsorge bewirken, dass aus der sozialen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine rein wirtschaftliche wird.
Wenn Unternehmen von den Vorteilen sozialer Normen profitieren wollen, müssen sie diese Normen mehr kultivieren als bisher. Medizinische Vorteile, insbesondere eine umfassende medizinische Versorgung, gehören für ein Unternehmen zu den besten Mitteln, zum Ausdruck zu bringen, dass es seinen Beitrag zum sozialen Austausch leisten will. Was aber tun viele Unternehmen? Sie verlangen eine umfangreiche Abzugsfähigkeit ihrer Versicherungsbeiträge und vermindern gleichzeitig ihre Leistungen. Einfach gesagt, unterminieren sie das soziale Abkommen zwischen ihnen und den Arbeitnehmernund ersetzen es durch Normen des Marktes. Wenn aber die Unternehmen eine Schieflage schaffen und die Arbeitnehmer von der Ebene der sozialen Normen auf die der Marktnormen rutschen, können wir ihnen dann verübeln, wenn sie von Bord gehen, sobald ein besseres Angebot auftaucht? Es überrascht wirklich nicht, dass die »Corporate Loyality«, die Loyalität der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Unternehmen, inzwischen ein Widerspruch in sich ist.
Unternehmen können sich auch gezielt Gedanken darüber machen, wie Menschen auf soziale und Marktnormen reagieren. Sollte man einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin ein Geschenk im Wert von 1000 Dollar machen oder ihm oder ihr 1000 Dollar in bar geben? Was ist besser? Fragt man die Arbeitnehmer, wird die Mehrheit höchstwahrscheinlich das Geld bevorzugen. Aber auch das Geschenk hat seinen Wert, obwohl dies oft nicht gesehen wird – schließlich kann es die soziale Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer fördern und damit langfristig beiden Seiten von Nutzen sein. Betrachten wir es einmal so: Wer wird sich Ihrer Meinung nach mehr ins Zeug legen, loyaler sein und mehr echte Freude an seiner Arbeit haben – derjenige, der 1000 Dollar in bar erhält, oder jemand, der ein persönliches Geschenk bekommt?
Natürlich ist ein Geschenk eine symbolische Geste. Und natürlich geht niemand für Geschenke statt für ein Gehalt zur Arbeit. Schließlich will man Geld für seine Arbeit bekommen. Wenn man sich jedoch Unternehmen wie Google ansieht, die ihren Mitarbeitern die unterschiedlichsten Vorteile bieten (darunter auch kostenlose Feinschmeckergerichte zum Mittagessen), wird einem klarwerden, wie sehr durch die Betonung der sozialen Seite in der Beziehung zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer der gute Wille gefördert wird. Esist bemerkenswert, wie viel an Arbeitsleistung die Menschen für ein Unternehmen (insbesondere in den sogenannten Startups) erbringen, wenn soziale Normen (etwa die Begeisterung beim Aufbau der Firma) stärker sind als die Marktnormen (etwa die Gehaltserhöhung bei jeder Beförderung).
Würden sich Unternehmen an sozialen Normen orientieren, würden sie feststellen, dass diese Normen Loyalität erzeugen und – noch wichtiger – die Mitarbeiter motivieren, sich in einer Weise zu engagieren, wie es die Unternehmen heute brauchen: flexibel, interessiert und bereit, vollen Einsatz zu bringen.
Über soziale Normen am Arbeitsplatz sollte man öfter nachdenken. Die Produktivität eines Staats hängt in zunehmendem Maße vom Talent und Engagement der Arbeitnehmer ab. Inwieweit werden in diesem Bereich die sozialen Normen durch Marktnormen verdrängt? Denken die Arbeitnehmer eher ans Geld und weniger an
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