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Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Ariely
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weniger.
    Schließlich versuchten wir es noch mit einem anderen Experiment, das vielleicht ein wenig an Wiedergeburt erinnert.Diesmal würde wieder jede Tür vom Bildschirm verschwinden, die im Lauf von zwölf Klicks nicht geöffnet wurde. Aber sie war nicht für immer weg: Mit einem einzigen Mausklick konnte sie wieder zurückgeholt werden. Mit anderen Worten, man konnte eine Tür vernachlässigen, ohne einen Verlust befürchten zu müssen. Würde dies unsere Teilnehmer davon abhalten, die entsprechende Tür anzuklicken? Nein. Zu unserer Verwunderung verschwendeten sie ihre Klicks darauf, die entsprechende Tür zurückzuholen, obwohl ihr Verschwinden keinerlei Bedeutung hatte und ohne weiteres rückgängig gemacht werden konnte. Die Studenten konnten einfach den Gedanken an den Verlust nicht ertragen, und so unternahmen sie alles Nötige, um zu verhindern, dass ihre Türen zufielen.
     
    Wie können wir diesen irrationalen Impuls, wertlosen Optionen nachzujagen, abschütteln? 1941 verfasste der Philosoph, Psychoanalytiker und Soziologe Erich Fromm ein Buch mit dem Titel
Die Furcht vor der Freiheit
. In einer modernen Demokratie, schrieb er, litten die Menschen nicht unter einem Mangel an Möglichkeiten, sondern unter einer schwindelerregenden Fülle derselben. Für unsere heutige Gesellschaft gilt dies noch mehr. Ständig wird uns weisgemacht, dass wir alles machen und sein können, wonach uns der Sinn steht. Das Problem besteht allerdings darin, dass es nicht leicht ist, diesen Traum umzusetzen. Wir müssen uns in jeder erdenklichen Hinsicht entwickeln, müssen jeden Aspekt des Lebens kennenlernen; wir müssen dafür sorgen, dass wir von den 1000 Dingen, die wir sehen wollen, bevor wir sterben, nicht bei 999 aufgehört haben. Doch damit stehen wir vor einer großen Schwierigkeit – wir können uns leicht verzetteln und zwischen den vielen Möglichkeiten zerrieben werden. Der von Fromm geschilderten Verführung erlagen, so meine ich, auch die Teilnehmerunseres Experiments, die hektisch von einer Tür zur anderen wechselten.
    Dieses Herumhetzen ist etwas Seltsames. Doch noch unverständlicher ist der zwanghafte Versuch, auch Optionen von geringem Wert nachzujagen – Gelegenheiten, die sich beinahe schon überlebt haben oder die uns eigentlich nicht mehr besonders interessieren sollten. Meine Studentin Dana beispielsweise hatte bereits erkannt, dass einer ihrer Liebhaber die Mühe nicht mehr wert war. Warum gefährdete sie dann ihr Verhältnis zu dem anderen jungen Mann, indem sie weiterhin an der einschlafenden Beziehung mit dem weniger attraktiven Liebespartner festhielt? Und wie oft haben wir nicht schon etwas zu einem herabgesetzten Preis gekauft, nicht weil wir es wirklich brauchten, sondern weil am Ende der Rabattaktion all die vielen Dinge nicht mehr da sind und wir sie nicht mehr zu diesem günstigen Preis erwerben können?
     
    Die Kehrseite dieser Tragödie zeigt sich, wenn wir nicht merken, dass manche Dinge wirklich verschwindende Türen sind und unsere sofortige Aufmerksamkeit erfordern. So machen wir vielleicht laufend Überstunden, ohne zu bedenken, dass die Kindheit unserer Söhne und Töchter nicht ewig währt. Manchmal schließen sich solche Türen so langsam, dass wir es gar nicht mitbekommen. Einer meiner Freunde erzählte mir beispielsweise, dass sein schönstes Ehejahr jenes gewesen sei, als er in New York und seine Frau in Boston gewohnt und sie sich nur an den Wochenenden gesehen hätten. Davor hatten sie in Boston zusammengewohnt und sich an den Wochenenden auf ihre Arbeit gestürzt, statt ihre Zeit gemeinsam zu genießen. Doch sobald sich ihre Lebensumstände änderten und sie wussten, dass ihnen fürs Zusammensein nur die Wochenenden zur Verfügung standen, war ihre gemeinsame Zeit begrenztund hatte ein unverrückbares Ende (vorgegeben durch den Zugfahrplan). Da ihnen klar war, dass die Uhr tickte, verbrachten sie mehr Zeit miteinander, statt sich ihrer Arbeit zuzuwenden.
    Ich plädiere nicht dafür, die Arbeit um der Kinder willen aufzugeben oder in eine andere Stadt zu ziehen, um angenehmere Wochenenden mit dem Ehepartner zu verbringen (obwohl das einige Vorteile haben könnte). Aber wäre es nicht schön, wenn wir eine eingebaute Alarmglocke besäßen, die uns warnt, wenn die Türen zu unseren wichtigsten Entscheidungsmöglichkeiten zuschlagen?
     
    Was also können wir tun? Unsere Experimente zeigen, dass wir uns mit überstürzten Versuchen, das Zufallen einer Tür zu verhindern,

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