Denken Mit Dem Bauch
einmal auf die ein oder andere Weise begegnet ist. Und schon sind wir mittendrin im Thema…
Das Denken mit dem Bauch ist stets da, wir alle haben es in uns, wir alle tun es und stets hat es zwei Seiten. Das Denken mit dem Bauch ist moralisch gut; es kann helfen, uns den richtigen (den moralisch wertvollen) Weg zu weisen. Dann wirkt es konstruktiv. Das Denken mit dem Bauch ist moralisch bedenklich; es kann uns ebenso dazu verleiten, den weniger moralischen Entscheidungsweg zu wählen. Dann schädigt es uns oder andere und wirkt destruktiv.
Am 11. September 2001 (und weit vor diesem 11. September) entschied eine Gruppe von Menschen muslimischen Glaubens, die wir Terroristen nennen, die Türme von New York zu
zerstören und Tausende von Menschen zu töten. Mitte Oktober des Jahres 2001 entschied eine Gruppe von Menschen
christlichen Glaubens, die wir Politiker nennen, die Gruppe der Terroristen abzustrafen und Afghanistan zu bombardieren.
Beide Entscheidungsprozesse, jener der Terroristen und jener der Politiker, waren reine Bauchentscheidungen keine
rationalkognitiven Entscheidungen. Hätten die »Ratio« (lat. =
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die Vernunft des Denkens, die Logik) und der »Kognos« (lat. =
die Erkenntnis, das kopfmäßige Verstehen eines
Zusammenhangs) die Oberhand in den Köpfen der Entscheider gehabt, wäre beides nicht passiert - weder New York noch Afghanistan. Auch das Drama von New York kennzeichnet so auf seine traurige Art ein Stück weit die aktuelle Dimension unseres Themas »Denken mit dem Bauch«.
Wir Menschen neigen offenbar (weltweit und kollektiv) dazu, das Denken mit dem Bauch, das rein archaische Ur-Denken, dem kognitiven Denken vorzuziehen. Und zwar immer dann, wenn's »dicke« kommt - das heißt, wenn es der Sorgen viele gibt und plausible kognitive, rationale Lösungsvarianten knapp sind. Ja, sagen die Wissenschaftler, das sei so. Dass es so ist, hat wohl etwas damit zu tun, dass wir in einer sehr komp lexen, unübersichtlichen, mit Sorgen und Nöten gut bestückten Welt leben. Das archaische Ur-Denken mit dem Bauch dominiert (Skurrilerweise) in unserer modernen Hightechwelt
menschliche, soziale, politische, ökologische und ökonomische Entscheidungen in einer Vielzahl, dass einem angst und bange werden kann. Worauf dieses Bangen gründet, werden wir in diesem Buch noch sehen und nachvollziehen können. Die
Forschungen dazu liegen auf dem Tisch und sind in den
folgenden Kapiteln weitgehend verarbeitet.
Bauchent scheidungen mögen sich für den Einzelnen positiv auswirken, können aber - sofern sie große soziale oder gar internationale Tragweite haben - auch fatale Folgen zeigen, denn die Entscheider sind entweder Militärs oder Politiker oder beides. Manchmal entsche iden auch Parlamente oder andere soziale Gruppen aus dem kollektiven »Bauch« heraus und richten damit Schaden an.
Gerade die Deutschen sind gewissermaßen »gebrannte
Kinder«, wenn es um solcherlei kollektives Bauchverhalten geht, und können eine Reihe von entsetzlichen Beispielen anführen: von der SA über die NSDAP bis hin zur Kristallnacht,
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der SS und dem Holocaust und allem anderen folgenden Elend.
Und nicht eine einzige aller dieser kollektiven ElendsEntscheidungen kam aus rationalklugen Köpfen. Keiner der Köpfe der Nazi-Ära ging mit moralischer Kraft, ethischer Weitsicht und intelligentem Abstand an die Dinge heran. Alle Entscheidungen kamen aus den Bäuchen der unterschiedlichsten Gruppen und Grüppchen. Vielleicht auch deshalb, eben wegen dieser unangene hmen Bauchvergangenheit, war dem Deutschen Bundestag im November 2001 bei seiner Entscheidung,
Bundeswehrtruppen in die Afghanistan-Region zu senden, so mulmig und erwuchs aus dieser parlamentarischen
Entscheidungssituation ein fast staatskrisenähnlicher Zustand.
Was war der Auslöser? Eine diffuse (unbestimmte,
undurchsichtige) Angst des Parlaments. Die Angst, eine unlogische, eine unkognitive Entscheidung zu treffen. Die Angst, nicht alles, aber auch wirklich alles beachtet zu haben, bis hin zu den groß angelegten gesellschaftlichen, moralischen und auch den individuellen Konsequenzen. Was, wenn in den Gazetten beispielsweise die Schlagzeile zu lesen wäre: Bundeswehrsoldat in Kabul erschossen… ? Der Auslöser für den staatskrisenähnlichen Zustand war die Angst aller politischen Parteien, der Regierung inklusive, mit ihrer Entscheidung wieder einmal Schaden anzurichten. Dass es sich bei diesen möglicherweise voreiligen, komplexen »Denk-«
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