Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
sowohl als der Name seines Verfassers, des Herrn Heinrich von Collin*^^), flog bald durch ganz Deutschland, erregte die schönsten Erwartungen, und in unserm Hause den lebhaften Wunsch, die Bekanntschaft desselben zu machen, da es ja von frühen Zeiten her bei uns zur Hausordnung gehörte, die ausgezeichneten Geister Wiens oder auch des Auslandes, wenn sie sich hier befanden, um uns zu versammeln. Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, die Bemerkung beizufügen, daß, so merkwürdig solche Männer auch oft als Gelehrte oder Künstler in der Welt durch ihre Werke erscheinen, nur sehr we-nige sich im nähern Umgange auch als Menschen ach-tungs- und liebenswürdig bewährten. Noch weniger liebenswürdig aber, mit sehr seltenen Ausnahmen, fand ich von jeher die weiblichen ausgezeichneten Gei-ster, die f emmes superieures, wie Frau v. Stael sie nannte und wich ihrer Annäherung immer gern aus, da sie mir als Frauen im Umgange fast nie zusagten.
Bei unserm Collin hingegen traf zu unserer großen Freude diese Bemerkung nicht eiif. Ein anspruchs-loseres, einfacheres, herzlicheres Betragen laßt sich bei einem so ausgezeichneten Talente kaum denken, und mit dieser offenen Herzlichkeit verband sich ein gründ-licher Verstand, eine ausgezeichnete Geschäftskenntnis
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(er war Beamter und damals Konzipist oder Sekretär bei der Hofkammer) *^') und hohe klassische Bildung. So warm und herzlich wir ihm entgegen kamen, ebenso warm und herzlich wurde diese Empfindung von ihm erwidert, und ich darf es mit stolzem Gefühle sagen, der edle CoUin, der in so vieler Hinsicht über seine Mitbürger hervorragte, war unser aller warmer, treuer Freund geworden, der meine Mutter, meinen Mann und mich herzlich achtete, und selbst meine Tochter, damals ein Kind von 8—9 Jahren, mit gütiger Zunei-gung und oft — denn er hatte nicht die Freude, Vater zu sein — mit einer Art von liebevoller Wehmut be-trachtete.
Haschka lebte damals noch, und CoUin, ebenso wie der früher genannte Baron von Hormayr, schlössen sich mit Achtung an den gelehrten und viel erfahrnen alten Herrn, der seinerseits gern jedes junge Talent aufmunterte und mit Rat und Tat zu unterstützen liebte. Damals bildete sich gar ein schönes geistiges Le-ben um uns. Collin, Hormayr, Haschka, Köderl, Schneller und noch einige andere schriftstellernde Her-ren besuchten fleißig unser Haus, in welchem sich je-den Abend auch jene gebildeten Frauen mit ihren Fa-milien einfanden, deren ich früher erwähnt. Gemein-schaftliche Lektüre der besten, eben damals erscheinen-den Stücke von Goethe, Schiller, Werner usw. mit aus-geteilten Rollen, Musik, gesellschaftliche Spiele, im Fa-sching auch wohl zuweilen ein Tänzchen, das bei uns oder einer unserer Freundinnen statthatte, füllten unsere Abende aufs angenehmste aus. Vor allem aber war uns eine' Art geistiger Unterhaltung, die wir frei-lich nur selten genossen, vielleicht mitunter schon des-wegen, ungemein wert. Es waren die eben damals in
Schwung kommenden Deklamationen, das gesteigerte und mit eigentlich theatralischer Betonung belebte Hersagen schöner oder bedeutender Gedichte. CoUin und Hormayr waren es, die uns diesen Genuß kennen lehrten und verschafften, indem sie manchmal einen Abend bestimmten, wo sich unser ganzer kleiner Zirkel bei uns versammelte, und die beiden Herren nun ab-wechselnd die vorzüglichsten Produkte unserer vater-ländischen Schriftsteller mit meisterhaftem Ausdrucke' vortrugen.
Es war ein wunderschöner Sommerabend im August 1804, als eines Abends Schneller einen jungen Dichter, Herrn Karl Streckfuß **^), auf dessen Bekanntschaft uns einige in Almanachen und Journalen erschienene, höchst liebliche Gedichte begierig gemächt hatten, bei uns einführte. Karl Streckfuß, jetzt preußischer Ober-regierungsrat, Ordensritter, Lehrer und Freund des Kronprinzen, Übersetzer des Ariost und Dante, war damals ein schlanker, hochgewachsener Jüngling von 24—25 Jahren, mit blondem Ringelhaar und blauen Augen, Hofmeister in einem Bankierhause hier in Wien — eine für uns alle erwünschte, angenehme Er-scheinung; aber in der Welt noch kaum durch einige Klänge seiner Leier bekannt. Unserm Kreise wurde er es bald, wurde es auf der Stelle möchte ich sagen; denn er gehörte zu den wenigen Menschen (Körner war ebenso), die uns beim ersten Blick wie befreundet an-sprechen — jede Spur der Fremdheit abstreifen, und uns das Bewußtsein geben, als sprächen wir mit einem alten Bekannten. Vielleicht ist es
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