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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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nach Ungarn ? das waren die ängstlichen Fragen und Zwei-fel, welche sich der meisten Geister mit unwidersteh-licher Gewalt bemeistert hatten, und sie wie auf em-pörten Wogen herum und oft gerade zum Wider-sinnigsten trieben, das sie dann mit Hast ergriffen und zu ihrem Schaden durchsetzten*^^).
    Von Tag zu Tage, ja von Stunde zu Stunde liefen beunruhigende Nachrichten ein, und im steten Hin-und Herschwanken zwischen Gehen und Bleiben und allen oft widersprechenden Maßregeln, die man zu treffen dachte, vergingen einige höchst bange Tage. Wir teilten indes diese große Unruhe nicht ganz, durch Erfahrungen anderer, besonders sogenannter Reichs-glieder, belehrt, und durch eigene Überlegung hatten meine Mutter und wir bald die Überzeugung gewon-nen, daß, selbst bei einer wirklichen Invasion des Fein-des, da zu bleiben, wo unsere Häuser, unser ganzes Hab und Gut gelegen ist, gewiß das Sicherste und Rätlichste sei. Wir hatten also unsern Entschluß gefaßt und ließen nun mit Ergebung in den Willen der Vorsicht über uns kommen, was kommen sollte, fest überzeugt, wie es denn auch der Erfolg bewies, daß jene, welche sich von Wien entfernten, ohne durch ihre Dienst- oder an-dere Verhältnisse dazu bestimmt zu sein, gewiß ein schlimmeres Los erwählt hatten.
    Es wurden also einige Vorräte angeschafft, mit Mö-beln und Zimmern die nötige Einrichtung getroffen, um die ungebetenen Gäste aufzunehmen und bewirten zu können, und so vernahmen wir nach und nach mit Bangigkeit, aber ohne eigentlichen Schrecken, wie das gefürchtete Ungetüm des feindlichen Heeres sich uns immer näher wälzte. An eine Verteidigung der Stadt
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    wurde damals nicht gedacht, und nur der Übergang über die Donau sollte durch Abbrennen der Brücken dem Feinde erschwert werden; dazu war, durch An-häufung brennbaren Stoffes auf denselben, alle An-stalt getroffen worden, und Fürst Auersperg war mit Vollziehung dieser Maßregel beauftragt*^). Der Hof und die Dikasterien hatten die Stadt bereits verlassen und sich nach Ungarn begeben. Es lagen nur wenige Truppen mehr in Wien, und diese wenigen waren mit jeder Minute des Befehls zum Aufbruch gewärtig. Die Familie Richler lebte seit einiger Zeit in der Kaserne derAlservorstadt*^^, nicht weit von uns, wo der Major das vierte Bataillon organisierte. Da aber, so wie dies den Befehl zum Ausmarsch erhalten würde, die Frauen keinen Augenblick länger in der Kaserne hätten bleiben können, welche sogleich von den feindlichen Truppen besetzt werden mußte, hatten diese sich eine Woh-nung in der Nähe gemietet und nach und nach alle Möbel, bis auf die allerunentbehrHchsten, dorthin brin-gen lassen. Sie selbst aber wollten den Gemahl und Schwager in diesem verhängnisvollen Momente nicht verlassen, und wir übrigen wünschten denn auch die Abende in dem gewohnten Kreise zuzubringen, und in so kritischen Tagen, wo jedes sich nach Mitteilung und Freundestrost sehnt, des Umgangs der werten Freunde nicht zu entbehren. Da also Richler die Kaserne nicht verließen, so brachten wir die Abende, auf Koffern und Packkörben sitzend oder auf einigen Stühlen, die jede Familie sich von ihren Bedienten nachtragen ließ, bei ihnen zu, und gerade dies Zigeunerartige, Seltsame un-seres Beisammenseins würzte die Abendunterhaltungen. Damals auch trat Herr von Weingarten*^^), der sich späterhin in unsern geselligen Kreisen und in der litera-

rischen Welt als ein zierlicher Dichter zeigte, mancher-lei Aufmerksamkeit erregte, und vor ein paar Jahren als Major in einem traurigen Zustande starb, als ein Jüngling von 17—18 Jahren ins Mihtär, und zwar in dem vierten Bataillon des Baron Richler ein, und niemand von uns ahnte die Auszeichnungen, die ihm einst von geistreichen Damen werden sollten.
    Indessen waren die Feinde der Stadt ganz nahe ge-kommen. Die Truppen erhielten Befehl, schleunig auszumarschieren — der Augenblick der Trennung war da — das Bataillon und alles, was sonst noch von Mili-tär in Wien lag, eilte über die Brücken hinüber aufs andere Ufer; dem anrückenden Kaiser der Franzosen wurde eine Deputation des Magistrates und der Bür-gerschaft entgegengeschickt (ich glaube bis Siegharts-kirchen) und ihm die Schlüssel der Stadt und diese selbst seinem Schutze übergeben*"). Am 14. November, dem Vorabende des Schutzheiligen unsers Landes, rückten — ein bitteres Zusammentreffen! -^ die Feinde in die Stadt ei^ und eilten sogleich durch und um dieselbe an den Strom.
    Hier, glaubte man allgemein,

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