Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
würden sie durch die Vernichtung der Brücken sich aufgehalten finden, und dieses Hindernis, indem es ihren Zorn reizte, könnte vielleicht stürmische Auftritte wenigstens in jenen Teilen der Vorstädte veranlassen, welche der Donau zunächst lagen. — Ach! es lief alles ganz und gar ' anders und sehr friedlich ab, denn die Brücke blieb stehen! Ein Faktum, das man schwer begreifen kann, das aber leider doch wahr war. Fürst Auersperg hatte sich. unbegreiflicherweise vom General Murat (König von Neapel) täuschen lassen, als wäre das Nichtabbren-nen der Brücke in den Bedingungen der Übergabe der
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Stadt mit eingeschlossen gewesen. Der Fürst nahm das Wort des feindhchen Befehlshabers als unbezweifel-bare Wahrheit an *^*); die französische Armee eilte mit Sturm^bsschnelligkeit auf das andere Ufer, und alle Familien, welche teure Angehörige unter den zuletzt entfernten Truppen hatten, zitterten mit Recht für diese, deren Gefangenschaft und vielleicht üble Be-handlung sie bei der damaligen Sitte oder Unsitte der noch halbrepublikanischen Armee fürchteten. Einige Tage vergingen, während welcher die Feinde in Wien einrückten, sich in der Stadt und den Vorstädten aus-breiteten, und dann erst vernahm man, daß die zuletzt ausgerückten österreichischen Truppen in Sicherheit waren.
Es war Abend, der 15. November, eine heitere, kalte Winternacht, als man uns, wie wir im kleinen Freundes-kreise beisammen saßen, die erste französische Einquar-tierung meldete. Alles stand für ihre Ankunft vorbe-reitet, meine Mutter schickte mich hinab, sie an der Tür zu empfangen. Unwillkürlich schüttelte mich ein krampfhafter Schauer — es war nicht Furcht, denn was hätte ich im menschenvollen Hause, wo sich viele Männer befanden, von ihnen zu besorgen gehabt ? es war die Vorstellung dieser schmerzlichen Lage, die Demütigung meines Patriotismus, das gehässige Gefühl gegen diese Übermütigen, die nun den Fuß auf unsern Nacken setzen durften! Zwei Offiziere, Männer von mittleren Jahren, deren einer Derüe, der andere Tr?m-h\y hieß, jener Kapitän, dieser Major war, von ihren Bedienten begleitet, welche vor der Türe die Pferde hielten, standen vor mir. Ich begrüßte sie französisch und bemerkte sogleich, wie der heimatliche Klang günstig auf sie wirkte. Sie benahmen sich artig, der
Major sogar mit Feinheit, und so lief denn die erste Bewillkommnung ziemlich gut ab. Beim Nachtessen erschienen die Offiziere, ein nicht unangenehmes, recht lebhaftes Gespräch entspann sich. Sie kamen unmittel-bar von Boulogne nach Deutschland in Eilmärschen und hatten kaum die nötige Wäsche und Fußbeklei-dung, weil alles auf dem forzierten Marsche zugrunde gegangen war. Derüe, ein Fünfziger, wahrscheinlich von gemeiner Abkunft, war mit Leib und Seele Re-publikaner. Der gebildetere Major schien heller zu sehen. Jener nannte, als die Rede auf Napoleon kam, ihn: notre premier magistrat. —■ II a au moins de heiles gages! erwiederte der Major.
So hatten wir denn das Schmerzliche erlebt! Unsere Residenzstadt, der Wohnort der Kaiser, der zweimal den Angriffen der Türken widerstanden hatte, war in die Macht eines fremden Volkes gefallen, und diese Blauen, die Kinder einer Nation, gegen welche ich von Kindheit an stets eine fast angeborene Abneigung emp-funden hatte, waren nun unsere Sieger und Herren! Als ich ein paar Tage darauf in die Stadt kam — wie bitter war milr dieser Anblick! Zwar an .den Stadt-toren stand kein französisches Militär, die Wachtposten hier so wie überall waren dem Bürgerkorps, unserer Nationalwache, übergeben; aber diese verhaßten Blauen schwärmten überall herum, und — ich muß es beken-nen, wenn man es an einer Frau auch tadelnswert finden würde, der Wunsch des Kaisers Nero, daß sie doch alle nur einen Hals haben und ich ihnen den ab-schlagen könnte, stieg in mir auf. Ich haßte sie aufs Bitterste. Man erzählte dann später, daß es sie sehr be-fremdet und ihnen zugleich imponiert habe, zu sehen, wie an dem Tage ihres Einmarsches, am 14., kein
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Kaufladen geschlossen, die Bürgerwachen überall auf ihrem Posten waren und die Einwohnerschaft still und gemessen, höchstens von Neugier sichtlich bewegt, dem Durchmarsch des fremden Heeres wie einem Spektakel zusah *5').
Unsere Einquartierten verließen uns nach einigen Tagen um, au delä du Danube, das heißt, nach Mäh-ren zu eilen; denn bei der wirklich unbegreiflichen U[n-' bekanntschaft der damaligen Franzosen mit der
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