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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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eine Äußerung, die uns allen etwas sonderbar und befremdend klang; denn ob-gleich Werner nicht eben häßlich war, hätte doch nur allenfalls sein Dichterruhm, wie in der alten Gellert-
    sehen Erzählung *®'), eine Frau, und zumal eine schöne Frau, bewegen können, ihm einen Kuß zu bieten.
    Übrigens benahm er sich in den gewöhnhchen For-men und außerdem, daß er ungeheuer viel und oft Tabak schnupfte und mit einer eigentümlichen Be-wegung des Daumens den Tabak stets zuletzt auf die rechte Wange hinüberstrich, so,'daß es bald wie ein Schnurrbart aussah, war nichts Außergewöhnliches an ihm zu bemerken. Als sich die Gesellschaft hierauf im Garten zerstreute, fand ich ihn.mit einer unserer Be-kannten in ein eifriges Gespräch über die Liebe ver-tieft. Ich trat hinzu, und bald wußte Werner mich so hineinzuziehen, daß jene mich verließ und er nun mit mir, auf und ab gehend, sein voriges Thema fortsetzte und sich erklärte, daß er eigentlich den Beruf habe, über Liebe zu sprechen, sie zu suchen, zu verbreiten usw.. Reden, deren eigentlichen Sinn ich nicht ganz verstand. Von der Liebe gerieten wir auf den Glauben, auf Religion, auf sein letztes Werk: Die Weihe der Kraft. Auch hier übersprach er viel, was ich nicht recht fassen konnte, doch schien mir der Hauptsinn dahin zu zielen, daß der Protestantismus die Künste totgemacht habe, was er denn auch durch den Tod jener Therese oder wie sie heißt, habe andeuten wollen. Zuletzt fragte er mich geradezu: was ich von der Transsubstantiation halte ? Diese Frage kam mir höchst unerwartet. Ich wußte wirklich nicht, was ich sagen sollte; denn es schien mir hier.gar nicht der Ort, noch die Gelegenheit, um solche Dinge zu erörtern. Ich antwortete also bloß: Ich sei KathoHkin, und folg-lich könnte er denken, daß ich über diesen Punkt mich nicht von dem Dafürhalten meiner Kirche entfernen würde. Übrigens scheine mir der Gegenstand nicht

    Therese Huber
    Unsignierte Miniatur — Familie Greyerz Bern Reproduktion: Stadtbibliothek Wien

    geeignet, um in geselligen Kreisen abgehandelt zu werden. Er ließ darauf das Gespräch fahren, aber er kam oft zu uns, las uns manche seiner Arbeiten vor, unter andern die sehr veränderte zweite Auflage seiner Söhne des Tales *^^), in welchen ein Mädchen — Astra-lis — eine mystische Person, vorkommt, und der ver-storbene Marschall Endo, der in der ersten Auflage so unübertrefflich schön als Pilger eingeführt wurde — vielleicht die schönste und wirksamste Geistererschei-nung, die mir in der neuen Literatur vorgekommen — r nun als ein ziemlich materieller Geist auftritt, Brot bricht, Astralis unterrichtet usw. Noch recht lebhaft erinnere ich mich, daß meine Mutter ihn fragte: Lebt denn der Marschall Eudo? weil dieser Geist sich gar so körperlich benimmt, und Werner ihr antwortete: Er lebt und er lebt nicht, wie man es nimmt. Dann fragt Eudo die Astralis, ob sie gebetet habe ? und sie antwortet: Ja! geglüht für Robert (ihren Geliebten). Diese wenigen Züge bezeichnen, wie mich dünkt, die ganze mystische, exaltierte, seltsame Richtung, welche Werners Geist damals schon genommen, und welche später solche Schöpfungen wie Kunigunde, Wanda, Attila*^^) ins Leben rief, von denen meine Freundin Therese Artner ^''°) später sagte: „Es ist zu bedauern, daß ein solcher Geist sich also verirren konnte; aber er wird zusehends mit jedem Stücke toller." Dennoch waren selbst in diesen Geburten einer verirrten Ein-bildungskraft große Schönheiten und offenbare Be-weise von Genialität.
    Diese Geistesrichtung erstreckte sich auch in sein Leben, er glaubte das, was er schrieb, selbst, und war ganz mit diesen Ideen erfüllt. Daher nahm auch meist das Gespräch, wenii er an unserem Abendkreise teil-
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    nahm, wieder dieselbe sonderbare Richtung nach seinen Lieblingsideen ^°^). ^
    Späterhin zog sich Werner von unserm Kreise zu-rück; er hielt sich viel zu Stoll^"^, dem jungen und ebenfalls exaltierten Dichter, und zu andern ähn-lichen Geistern. Endlich bekam ich einen Brief von ihm^°2a^^ [j^ welchem er mit sehr herzlichen Worten von mir, von meiner Familie und von seinem lieben, lieben, lieben Wien Abschied nimmt. Er ging nach Italien, nach Rom und kam erst nach mehreren Jahren als Katholik und Priester von dorther zurück. Sein zweites Auftreten unter uns, in den letztgenannten Eigenschaften, erregte beinahe mehr Sensation als das erste; aber wir sahen ihn sehr selten unter uns. Er lebte bald in diesem, bald

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