Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Unterordnung unter den kräftigen Mann recht wohl und glücklich fühlen könne^^). Ich wußte nicht, ob sie diesen Auf-satz kannte, aber ich scheute mich nicht, das, was ich schriftlich geäußert, auch in ihrer Gegenwart zu be-haupten. Ich hätte sie gern kennen gelernt, aber ich glaubte es nicht schicklich, daß ich, die Einheimische,
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zuerst zu ihr ginge und mich gleichsam bei ihr ein-führen Heße. Unsere gelehrten Freunde hatten dies zwar getan — aber CoUin, Steigentesch^^^), Hormayr waren Männer, und daher konnten sie, ohne sich etwas zu vergeben, der fremden Dame ihre Aufwartung machen. A. W. von Schlegel^2^, der die berühmte Frau auf ihrer Reise begleitete, hatte sich bei uns vor-stellen lassen. Er kam öfter zu uns und schien ein sehr eleganter Gelehrter, der im Gegensatz zu den meisten seinesgleichen sich höchst fashionable kleidete, aber auch im Gegensatze zu jenen mit seiner Toilette selbst in Gesellschaft beschäftigt war, und wenn ihm, wie es bei uns ein paarmal der Fall gewesen, andere etwas von ihren Werken vorlasen (ich nicht, wie ich denn überhaupt dies nur höchst selten und unter sehr guten Freunden tat), während der ganzen Lesung am Busenstreif, am coup de vent und den Schleifen seiner Unterkleider zu zupfen und zu richten hatte. Man hat mir, zwanzig Jahre nach jener Zeit, erzählt, daß er diese ZierUchkeit und Sorgfalt für sein Äußeres auch jetzt noch als Greis beibehalten habe. Damals war er "ein Mann von mittleren Jahren und wirklich an-genehmer Gestalt, dennoch hätte ich um seiner selbst und seines verdienten literarischen Ruhmes willen ge-wünscht, daß er diese Schwäche nicht an sich gehabt hätte. Im Umgange war er sehr artig, sehr geistreich, aber nicht ohne eine merkliche Beimischung von Selbst-gefühl, die sich oft geltend machte, und mit allen diesen Eigenschaften und einem angenehmen Äußern, das durch einen vorteilhaften Anzug gehoben war, der Liebling vieler geistvollen, gebildeten Frauen, sowohl einheimischer als fremder, mit denen ich damals umging. Man erzählte, und ich selbst hatte später
Gelegenheit, es zu bemerken, daß er von Frau von Stael nicht mit der Achtung und Auszeichnupg be-handelt wurde, die sie wohl einem Manne seines Talentes schuldig gewesen wäre. Es erschien öfters ein befehlender Ton wie gegen einen Untergeordneten in ihrem Betragen ihm gegenüber, und das erregte nun bei jenen Damen seiner Verehrung das tiefste Mit-leid. Man war aufgebracht über Frau von Stael, man wollte in Schlegels ganzem Wesen einen Schatten von Gedrücktheit, von Melancholie bemerken, den man auf die Rechnung jener Behandlung schrieb, und • der den interessanten Unglücklichen nur noch teurer machte. Mir erschien die Sache anders, und ich er-klärte mich dahin, daß Herrn v. Schlegel die Existenz im glänzenden Hause der reichen und berühmten Frau doch angenehm sein müsse, weil es einem Manne von seinem Rufe, von seinen ausgezeichneten Gaben nicht fehlen könne, auf jeder deutschen Universität durch eine Professorstelle, durch Privatvorlesungen,' literarische Arbeiten usw. sich eine zwar nicht so be-queme, aber unabhängige Existenz zu verschaffen, und daß also, weil er dies nicht tue, jenes Verhältnis ihm nicht so gar drückend erscheinen könne. Damit fand ich nun freilich vielen Widerspruch, es war aber schon einmal meine Weise, die Poesie von der Wirk-lichkeit stets scharf zu scheiden, jene in Büchern und Kunstwerken hoch zu verehren, im gewöhnlichen Leben aber die Dinge so klar als möglich zu betrachten und so einfach als mögHch zu behandeln ^^^.
Ich hatte gegen A. W. von Schlegel mehrmals den Wunsch geäußert, Frau von Stael persönhch kennen zu lernen. Er forderte mich auf, zu ihr zu gehen. Das wollte ich nicht, und so ging einige Zeit hin. — End-
lieh übernahm es eine gemeinschaftliche Bekannte, die Sache vermittelnd einzuleiten. Frau von Nuys^^*), eine geistreiche, artige Frau aus Bremen, welche unter uns nur die schöne Großmama hieß, weil sie bereits ein^n Enkel von ihrer Tochter hatte, und noch immer nicht bloß beaux restes, sondern wirkliche Schönheit besaß, übernahm es, Frau von Stael mit mir, mich mit der hochberühmten Frau bekannt zu machen. Wir wurden beide zu einem Tee bei ihr gebeten, und ich konnte, da es gerade der Wochentag war, an welchem meine Mutter selbst Gesellschaft zu empfangen pflegte, erst spät abkommen. Als ich eintrat, war der Kreis schon eine Weile versammelt, und ich sah neben einer meiner Freundinnen, die
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