Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
gebildeten Menschen mitgeteilt habe, ohne von ihnen eine genügende Erklärung über eine, wie mir es scheint, sonderbare Erscheinung zu erhalten, diese nämlich, daß unter so vielen Frauenzimmern, die sich mit exekutiver Musik auf dem Klavier, auf andern Instrumenten oder im Gesang mit vielem Glück beschäftigten, unter so vielen geistreichen Künstlerinnen, die sich in der Malerei oder Dichtkunst auszeichneten, auch nicht eine ist, die mit bedeutendem Erfolge etv/as in der mu-sikaKschen Komposition geleistet hat. Nur zvv^ei habe ich in meinem langen Leben und bei besonders in mei-ner Jugend häufigen Berührungen mit der musikali-schen Welt gekannt, die sich mit Komposition beschäf-tigten, ein Fräulein von Martinez, Schülerin des berühm-ten Metastasio, der bei ihren Eltern lebte und sich die Ausbildung dieses, in vieler Hinsicht ausgezeichneten Frauenzimmers zum angenehmen Geschäft machte; und meine Freundin, das blinde Fräulein von Paradis. Beide leisteten Artiges, aber es erhob sich nicht über — ja kaum an das Mittelmäßige, w^ährend doch in Malerei und Poesie Frauen, v^^enn auch nichts den Wer-ken der ersten Meister in diesen Fächern zu Verglei-chendes, doch vieles auch an sich und ohne Rücksicht auf das Geschlecht Schätzbare hervorgebracht haben. Sollte man aber nicht glauben, daß gerade dies Be-wußtlose, bloß auf innern Regungen, auf Gefühl und Phantasie Beruhende der Musik, dem weiblichen Cha-rakter besser zusagte als die Leistungen im Gebiete der Malerei und Dichtkunst, welche Vorkenntnisse, deut-liche Begriffe, technische Fertigkeiten usw. voraus-setzen ? Es muß doch nicht also sein, weil wir bis jetzt wohl eine Sirani^^*), Rosalba*^^), Angelica Kaufmann*^^),
Lebrun^^') usw. — aber keine nur einigermaßen bedeu-tende Tonsetzerin erlebt haben. Doch ich nehme den Faden meiner Erzählung wieder auf.
Im nächsten Winter wurden unsere gewöhnlichen' Abendunterhaltungen fortgesetzt, und es fiel üiis ein, uns doch einmal wieder im Komödienspielen zu ver-suchen. Zuerst wählten wir kleinere Stücke, Kotze-buesche, ein- oder zweiaktige Lustspiele: Den Mann von 40 Jahren, die Brandschatzung usw.'*^^. Endlich schlug uns Hormayr vor, uns an ein bedeutendes Stück zu wagen. Der Mann von Wort, von Iffland*^^) wurde gewählt, und auf eine Weise besetzt und gespielt, wie man es auf Haustheatern selten finden wird. Mein Mann, der überhaupt seine Rollen stets mit vieler Kraft und Würde und einem guten Anstände gab, wobei ihm seine vorteilhafte Gestalt sehr zu statten kam, gab den Archivar Lestang, die Titelrolle, vor-trefflich; der Verfasser des Regulus, Collin — den blödsinnigen Oheim; der Verfasser des österreichischen Plutarchs, Hormayr, den Hofrat Wallner; Frau von Kempelen, jene interessante und schöne Gemahlin des Jugendfreundes von meinem seligen Bruder, welche schon dem dichterischen Freunde Streckfuß so ge-fährlich gewesen war, und in deren Nähe auch Hor-mayr sich nicht gleichgültig erhalten konnte, hatte die Rolle der Julie, der Pflegetochter des Hofrats; mir ward die der Frau des Archivars zuteil, und auch die übrigen Personen machten ihre Sachen gut. Wir hatten beschlossen, das Stück zum Namenstage meiner Mutter zu geben, der auch der meinige und der meines Töch-terchens war, welche einen, von unserm alten Freund
Haschka gedichteten Prolog sprach, und so geschah es auch. Wer das Stück kennt, wird sich erinnern, daß jener blödsinnige Oheim seiner Nichte, der Frau des Archivars, den Brillant schenken will, der aus einer, durch sieben Jahre eingesperrten Kreuzspinne ent-stehen soll und an dessen Existenz und Besitz er festig-lich glaubt. Es ist dies eine wirklich rührende Szene, denn der gute Alte will sich seines vermeinten un-ermeßlichen Schatzes willig entäußern, um nur seine Nichte zu vermögen, ihrem Manne die schuldige Treue zu halten. Collin hatte, wie gesagt, die Rolle des Oheims, die er trefflich durchführte. Ich, als Frau seines Neffen, war mit ihm auf dem Theater, und er zog nun das Schächtelchen mit der kostbaren Spinne hervor, auf welches ich, wie es im Stücke angegeben ist, das Jahr und den Tag, wann sie eingefangen worden war, geschrieben hatte, um CoUin das Auswendig-lernen dieser Worte zu ersparen. Man stelle sich meine Verwunderung und Verlegenheit vor, als der unver-geßliche, teure Freund nun statt des in dem Stücke benannten Tages den vierten November nannte, und mit einer höchst verbindHchen Wendung einen Glück-wunsch für drei Karolinen,
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