Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
zwei Matronen, die* sich nie gesehen hatten und auch nie sahen, uns unsere häusHchen und innersten Angelegen-heiten mitteilten, und dies währte bis an Therese Hubers Tod im Jahre 1829^1*). So hat mir meine lite-rarische Bekanntschaft manches sehr angenehme Ver.-hältnis, manches Wohlwollen, und herzliche Teilnahme von unbekannten Menschen, und nur äußerst selten etwas Unangenehmes gebracht. Wohl aber hütete ich mich stets aufs sorgfältigste, mich ja nie zu Redak-tionen, Rezensionen usw. gebrauchen zu lassen, und mit den gelehrten Herren in eine nähere Beziehung zu kommen. Therese Huber, der ihre finanziellen Verhältnisse vermutlich jene Redaktion aufgedrungen haben mochten, hat dadurch, und namentlich mit dem Verfasser der Schuld, Müllner, Verdruß genug "gehabt"«).
Mit dem Herbste dieses Jahres begann eine lebhafte, interessante Zeit. Unser geliebter Kaiser wollte sich das drittemal mit Marie Luise von Este, seiner Cousine, vermählen, und die Vorbereitungen, sowie, die Ver-mählungsfeierlichkeiten dieser höchst anmutigen Prin-zessin gaben Veranlassung zu allerlei Festen und rüh-rigem Leben "1^. Auch traf die Ankunft der berühmten . Frau von Stael, welche mit A. W. v. Schlegel aus Weimar nach Wien kam, gerade auf diesen Herbst 5^'). Die Statue des Kaisers Josef, von Zauner in Erz gegossen, war auch eben fertig und aufgestellt, wor-den ^1^. Die Enthüllung derselben wurde eine Art von Feier und Festlichkeit, welche das kindlich-.dank-
bare Gemüt des Neffen seinem großen Oheim zu Ehren veranstaltet hatte.
Es war ein milder Herbsttag zu Ende Oktobers oder Anfang Novembers. Auf dem Josefsplatze, wo die kolossale Bildsäule unter ihren Umhüllungen wie ein kleiner Berg dastand, waren in freier Luft Tribünen errichtet, auf welchen man mittelst BiUetten Platz er-hielt. Frau von Stael war ebenfalls zugegen, ich sah oder kannte sie wenigstens damals nicht, und nebst ihr eine große Menge elegant geputzter Damen und Herren, die dem Schauspiel entgegen harrten. Um die angesetzte Stunde (wenn ich nicht irre 12 Uhr mit-tags) donnerte das erste Geschütz auf dem Walle der Stadt, ihm folgten bald die andern ringsherum auf den Basteien, denn — so wollte es des Monarchen liebevolle Dankbarkeit — seines väterhchen Oheims Bild sollte auf dieselbe feierliche Weise wie die per-sönliche Ankunft eines regierenden Herrn bei seinen Untertanen empfangen und begrüßt werden. Durch eine geschickte Vorrichtung fielen plötzUch die Decken, welche die Statue verhüllt hatten, das majestätische Bild ward sichtbar, und fast in demselben Augenblick zerriß auch, wahrscheinlich durch die Kanonenschüsse zerteilt, die Nebeldecke, welche den Himmel umhüllt hatte. Rein und blau lächelte er hernieder auf das Bild des großen Josefs, der mitten im Kreise der Seinen erschien, und die mildesten Sonnenstrahlen spielten auf dem glänzenden Metall und auf den edlen Zügen. Es war ein schöner, erhebender Augenblick, in welchem der Himmel selbst an dem Dankbarkeits-gefühle unsers Monarchen und an unser aller Freude segnend Anteil nahm.
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Die Anwesenheit der Frau von StaeP^^), was sie tat, sagte, wie sie aussah, sich kleidete usw. war von nun an das allgemeine Gespräch in den Salons. Man hatte sich eine Menge von ihr zu erzählen, wovon vieles, ja das meiste, ungünstig war. Wenn ihr einige nicht verzeihen konnten, daß sie eine Femme superieure war (und das war sie denn doch gewiß!), so beleidigte an^ dere ihr Umgang mit dem höchsten Adel, zu dem eigentlich ihre Geburt sie nicht berechtigte; andere fanden zu viel Anmaßung in ihrem Betragen, und wieder andere hielten sich an die übelgewählte Toilette, welche denn auch wirklich bei ihren vorgerückten Jahren (sie war damals schon jenseits der Vierzig) und einer unvorteilhaften Gestalt oft zu anspruchsvoll war, und eine Meinung von ihrer Schönheit voraussetzte, welche doch jeder Spiegel hätte Lügen strafen sollen. Ich hatte sie damals noch nicht gesehen, aber ich hatte kurz vorher einen kleinen Aufsatz ins Morgenblatt einrücken lassen, in welchem ich, ohne der großen Achtung Abbruch zu tun, die ihr außerordenthches Talent mir wie jedem ihrer Leser einflößte, meine Verwunderung darüber äußerte, daß sie sowohl in der Corinne als in der Delphine ihre Helden so schwach, inkonsequent und leicht beweglich geschildert habe, indes ihr doch selbst ein wahrhaft weibhches Gefühl an mehreren Stellen das Geständnis entlockt hat, daß ein Weib sich nur in einer gewissen
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