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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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Zeitgeist sich allmählich mehr entfaltete: aber besser, schöner wenigstens ist es, glaube ich, nicht dadurch ge-worden.
    Es war eben auch dieser Zeitgeist, der bei uns in Osterreich durch die langen Kriege, durch die un-geheure Menge des Papiergeldes, durch die Verluste, welche viele höhergestellte Famihen an Gütern und Einkünften erhtten, diese bewog, ja zwang, das Übrig-bleibende zu veräußern, das dann in die Hände der In-dustrie, des Handelsstandes, des Gewerbefleißes kam. Besonders fiel mir dies in Oberösterreich, das ich vor nicht langer Zeit besucht hatte, unangenehm auf. Jenes stattHche Haus, das zur Zeit meiner ersten Reise dahin mit meinen Eltern, irgendeiner hochangesehenen Familie gehört hatte, war jetzt das Eigentum eines Ge-werbsmannes geworden. Der Herr Fleischer oder Tisch-lermeister bewohnte nun die prächtigen Gemächer, in welchen früher Freiherrn oder Grafen gehaust hatten,
    und etablierte einen gewiß nicht geringern Stolz als diese.' Jenes gräfliche Schloß gehörte nun einem reichen Kaufmanne, ein anderes war zu einer Fabrik eingerich-tet. Aus den Treibhäusern waren die freilich nutzlosen, aber lieblichen Orangenbäume und seltenen Pflanzen verschwunden, und ihre Räume hatten Zuckersiede-reien oder Spinnmaschinen aufgenommen. In den Gär-ten, wo keine mannigfaltigen Blumen mehr das Auge müßig ergötzten, lagen allenfalls die bedruckten Kat-tunstücke zum Ausbleichen der Krappfarbe am Boden hingebreitet usw. Alles hatte seinen Zweck, seinen Nutzen, alles trug etwas ein. Aber — das Schöne war hinweg aus diesem Leben!
    Zu diesen trüben Betrachtungen, welche die am Schönen und Edeln verarmte Gegenwart mir aufdrang, gesellte sich auch noch manches andere Trübe. Werte Freunde, welche sehr oft unser Haus besuchten, wie Herrv. Kirchstättern'"), Vater vieler Kinder, die er in dieser bedrängten Zeit nur kummervoll ernährte, übri-gens ein gebildeter, rechtlicher Mann, den > eine lange gegenseitige Achtung mit uns verband, starb um diese Zeit, wohl mitunter aus Sorge und Gram. Bald darauf erfuhren wir aus Ungarn, wohin er mit dem Kriegs-archiv dem Hofe gefolgt war, den Tod des General Gomez'*®), eines sehr würdigen und gelehrten Mannes, der in Wien unser naher Nachbar gewesen war, dessen Haus wir oft besuchten. Noch tiefer aber kränkte uns alle der Verlust eines gar werten, vielseitig gebildeten und unserm ganzen Kreise mit Liebe und Achtung zu-gewendeten Mannes, eines gewissen Herrn Köderl'^"), der in dem Bücherrevisionsamte angestellt, durch seine rechtliche Gesinnung, durch seinen vielfach gebildeten Geist, durch seine heitere Unbefangenheit, und selbst

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    durch seine offizielle Stellung, die ihn au courant der neuesten Literatur erhielt, uns ungemein wert ge-worden war, und dessen frühzeitiger Tod, er hatte kaum das dreißigste Jahr überschritten, in unserm ganzen Kreise schmerzlich gefühlt wurde. Endlich noch er-hielt Baron Merian, dessen ich schon öfters erwähnt, eine diplomatische Anstellung am Dresdner Hofe und kam daher nicht mehr nach Wien zurück. Ich vermißte seinen so angenehmen als lehrreichen Umgang schwer, und kurz — dies alles trug bei, meine trübe Stimmung zu vermehren.
    Dieser Abstand zwischen dem Einst und Jetzt, dies Umsichgreifen und der Übermut der niedrigem Stände, die wachsende Macht ihres eigentlichen Hebels, des Geldes, fing in jeher Zeit zuerst an, recht bemerklich zu werden, und hat sich seit diesen fünfundzwanzig Jahren noch unendlich vermehrt. Für meine Art zu denken und zu empfinden, hatte dies alles etwas sehr Niederschlagendes, und diese Stimmung gab sich in meinen damals entstehenden Schriften kund. In dieser Stimmung entwarf ich den Plan zu den „Grafen von Hohenberg"'20^^ wozu ich die Szenerie auf vielfältigen Reisen in Ober- und Unterösterreich gesammelt hatte. Pichler hatte nämlich in dieser Epoche fast jährlich eine größere oder kleinere Geschäftsreise in die Gebirge und Wälder unseres Vaterlandes zu machen ^^i)^ er nahm uns alle, meine Mutter, mich und unser Töchterchen mit, und wir genossen so sehr oft das heitere Landleben in den schönsten Gegenden. So sah ich St. Florian, Krems-münster, den Albensee, Scharnstein, Spital am Pyhrn, Mariazeil, Lilienfeld, Hohenberg, Guttenstein usw., und die Bilder dieser Gegenden hatten sich meiner Seele tief eingedrückt. Sie wurden nun der Schauplatz,
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    auf welchem sich die, von mir teils selbstgeschaffenen, teils der vaterländischen Geschichte entnommenen

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