Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
sie in Braunau, wo das ihr entgegengesandte französische Gefolge sie erwartet hatte und sie von den französischen Zofen in einem Nebengemach umgekleidet worden war, in dem von Paris mitgebrachten Anzug und Schmuck wieder her-austrat, sie als eine ganz andere Person erschien ^^^) . Wohl mochte die innere Sicherheit, der Gedanke: nun die erste und höchste Monarchin in Europa zu sein, viel beitragen, die jugendliche Gestalt zu erheben und den blühenden Kopf aufzurichten; daß aber an der Wahl und Umsicht beim Anzug gar viel gelegen ist, wird keine Frau bestreiten. Später — nach dem Zusam-mensturz ihres so blendenden Glückes — sah ich diese Prinzessin in Lilienfeld wieder und mußte gestehen, daß sie in Haltung und Anstand ungemein gewon-nen hatte.
Doch ich kehre zu dem Faden der Erzählung zu-rück. Unser Vaterland war also mit Frankreich ver-bündet — die Tochter unsers Kaisers saß an des mäch-tigsten Monarchen, an Napoleons Seite, auf dem Thron dieses Reiches, und nach den gewöhnlichen Berech-
nungen hätten wir uns nun Ruhe und ungestörten Ge-nuß im Besitz dessen, was dem österreichischen Kaiser-tume nach so vielen Losreißungen gebHeben, und aller-dings eine bedeutende Macht zu nennen war, ver-sprechen können. Aber war sich bei Napoleons rastlos-strebendem Eroberungsgeist, bei dem militärischen Ge-nie, das er besaß und welches ihm das Kriegführen und Überwinden zu einfer LiebHngsbeschäftigung machen mußte, und bei den Ungeheuern Mitteln, die ihm zu Gebote standen, wohl Ruhe und bleibende Sicherheit zu versprechen!
Unglückverkündend und im Rückblick auf das trau-rige Geschick der Königin Antoinette höchst ominös war der Brand des Tanzsaales bei dem Fest, das unser Gesandter Fürst Karl von Schwarzenberg^^^) dem kaiser-lichen Paare mit großer Pracht und ausgesuchtem Ge-schmack gab. Schon bei Gelegenheit jener Hochzeits-feierhchkeiten unter Ludwig XVL war ein ähnliches Unglück entstanden, und diese Wiederholung desselben Zufalls bei gleicher Veranlassung warf ahnungsvolle Be-sorgnisse in manche Herzen. Sehr lebendig und schön geschildert hat eben jener Herr Varnhagen, dessen wei-ter oben Meldung geschehen, dieses Fest mit allen sei-nen Schrecken und einzelnen erhebenden Momenten im Raumerschen Taschenbuch*32^. Varnhagen war damals Adjutant des Fürsten, daher ein glaubwürdiger Augen-zeuge all dieser Auftritte. Nicht ohne erhebendes Ge-fühl liest man in dieser Schilderung neben allen den entsetzhchen Ereignissen die einzelnen Beweise von Mut, Aufopferung, Pflichtgefühl — das Schicksal der Fürstin von Schwarzenberg^^), die ein Opfer ihrer Mut-terliebe ward, und das Betragen des Kaisers Napoleon selbst, das sich ebenso besonnen und würdig, als voll
.376
Karoline Pichler
Anonymer Stich (Quirin Mark? oder Friedrich John?) k. k. Fidei-Commiß-Bibliothek, Wien
Rücksicht auf seine eben angetraute Gemahlin aus-sprach.
Der folgende Sommer verging wie mancher frühere für mich in stillem Genuß häuslicher Zufriedenheit, im Umgang mit werten Freunden und kleinen Reisen in die schönen Gebirgsgegenden. So waren wir noch im Anfange des Oktobers zum zweitenmal in Gutten-stein, und ich sah mit Vergnügen die Plätze wieder, die ich schon ein paar Jahre früher besucht und wo ich einen großen Schrecken bei dem Muckendorfer Wasserfall erlebt hatte. Dieser Auftritt, bei welchem nur Gottes sichtbar einwirkende Gnade mich vor dem furchtbaren Jammer, Gemahl und Kind in einem AugenbHcke zu verlieren, bewahrt hatte, ist mir von jeher zu entsetzlich, zu ergreifend gewesen, als daß ich auch jetzt noch, nach mehr als dreißig Jahren im-stande wäre, ihn in diesen Blättern zu schildern. Er-zählen konnte ich ihn nur mit der größten Erschütte-rung des Gemütes, tat es daher fast nie, und nur meine innige Freundin, die mir nun auch schon lange ins bessere Leben vorangegangen ist, Fräulein Therese von Artner, hat in einer schönen Roma^ize, welche ihr die Liebe für mich eingegeben, diesen entsetzlichen Vor-fall geschildert'^*).
Man hat — wenn es erlaubt ist, so Kleines, wie meine Erlebnisse, mit den Ereignissen in dem Leben eines der glänzendsten Monarchen in Vergleich zu stel-len — man hat öfters schon die Rettungsgeschichte un-sers Kaisers Max L auf der Martinswand für ein Mär-chen, eine poetische Sage usw. erklären wollen, weil sie sich unter den Abenteuern des Kaisers, welche er selbst im Teuerdank erzählt, und in welchem seine bösen Gesellen, der Neidthart Fürwittig
Weitere Kostenlose Bücher