Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Österreich, ja wohl ganz Europa. Napoleon ließ um die Tochter unsers Kaisers werben. Marechal Berthier'*^) war auf dem Wege nach Wien, und mit Erstaunen, mit ängstlicher Freude und furchtsamer Hoffnung sah je-dermann diesem Ereignisse und seinen möglichen Fol-gen entgegen.
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General Berthier kam an — die Werbung geschah in aller Form. Feste folgten bei/Hofe auf Feste. Die damalige Kaiserin Maria Ludovica wußte durch ihren Geist, ihre Anmut und durch die^rgfältigsten Toilet-ten den Marechal so zu bezaubern und zu stimmen^ daß er bei seiner Abreise soll gesagt haben: Es sei Z-eit, daß er von Wien wegkomme *26). In der Augustiner-kirche geschah die feierliche Trauung, wobei unser hoch-verehrter Erzherzog Karl statt des entfernten Bräuti-gams, die Hand der Braut, seiner Nichte, empfing*^'), — Er, der Sieger von Aspern, der zuerst den Nieüber-wundenen zum Weichen gezwoingen hatte, sollte nun das Band besiegeln helfen, was jenen Gewaltigen an das Erzhaus binden, und diesem entweder Frieden und Glück oder noch ärgere Sklaverei bereiten konnte!!
Vergeblich würde ich es versuchen, die gemischten, streitenden, ja peinlichen Empfindungen zu schildern, welche mich ergriffen, als ich bei dem freien Ballfeste*2*), das bei dieser Gelegenheit in den k. k. Redoutensälen mit großer Pracht gegeben wurde, zuerst wieder in diesen Saal trat, wo vor zehn, elf Monaten, vor dem Ausbruch des unseligen Krieges, die Landwehrlieder unsers Freundes Collin bei gedrängt vollem Hause waren gesungen und in jeder österreichischen, jeder deutschen Brust Haß und mutiger Widerstand gegen Frankreichs Übermacht und Übermut war entflammt worden. Jetzt war eben dieser Saal auf einer Seite mit Fahnen und Drapperien in Österreichs Farben, auf der andern Seite mit Trikolor verziert. Dieses Zeichen, das Erfahrung, Nachdenken und jeder Blick um uns her uns seit Jahren als das unglückbringendste für uns und die ganze Welt hatte ansehen gelehrt! Nun schwebten diese Farben über unsern Häuptern, dicht neben den ver-
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ehrten vaterländischen, und wie lange ? — wie lange ? — wird uns, so konnte man wohl, ohne eben allzu große Furchtsamkeit, mit Recht denken, wie lange wird uns der Allgewaltige wohl noch gestatten, diese Farben zu verehren und als das Palladium des Volksglücks unter dem Szepter unserer angestammten Fürsten zu behal-ten ? Daß solche Betrachtungen nicht sehr geeignet waren, um jene fröhliche Stimmung zu erzeugen, die sich für einen Ball schickte, ist wohl natürlich. In-dessen, sowie ich bereits über die Jahre hinaus war, in denen man zu tanzen pflegt, so war auch überhaupt das Tanzen auf der Redoute nicht mehr Sitte, und man betrachtete ein solches Fest nur als eine große Reunion, wo man in zierlich geschmückten und erleuchteten Sälen während einer Tanzmusik, auf die übrigens nie-mand oder nur wenige achteten, herumspazierte, seine Bekannten sah, Anzüge betrachtete und musterte, Glos-sen machte, und sich gut oder nicht gut unterhielt, je nachdem es sich traf. Eine der besten Unterhaltungen bot bei solchen Gelegenheiten die Erscheinung des kaiserlichen Hofes mit seinem Gefolge von Kavalieren und Damen. Diesmal führte unser geliebter Kaiser den Zug an, an seinem Arme die jugendliche Braut des Hel-den der Zeit; ihnen folgte an Erzherzog Karls Arme die Kaiserin Maria Ludovica; hinter diesen die übrigen Prinzen des Hauses, den Patriarchen desselben, Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen'^»)^ mitten unter ihnen. Auch diesmal war, wie ich es schon bei der ersten Ver-mählung unsers Kaisers mit der Prinzessin Elisabeth von Württemberg bemerkt hatte, die Braut, welche doch an diesem Tage die größte Aufmerksamkeit er-regen mußte, durchaus nicht die anziehendste Gestalt. Damals verdunkelte die zwar nicht mehr jugendliche,
aber durch ihre edlen Formen und den geistvollen Aus- , druck derselben, sowie durch einen sehr wohlgewählten Anzug, noch immer sehr schöne Erzherzogin Christina *^) die blasse und viel unscheinbarere Braut. Bei dem gegenwärtigen Fest übertraf die Kaiserin, obwohl nicht regelmäßig schön und älter, kränklicher als die blühende Braut, diese doch durch Anmut der Bewegungen, vor-teilhaften Anzug und eine Majestät der Haltung, welchfe bei dieser nicht großen Gestalt doppelt überraschend war. Daß der mindere Glanz der Braut großenteils von einer unvorteilhaften Art sich zu kleiden und ihrer Schüchternheit herrührte, erwies sich später. Man er-zählte allgemein, daß, wie
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