Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
nordwestlichen Himmel, ein schimmernder und merk-würdiger Fremdling, der große Komet von 1811^^") —
und eine übermäßige Hitze ging seiner Erscheinung be-vor, begleitete sie und dauerte mit verhältnismäßiger Abstufung bis gegen den November. Viele Brunnen versiegten, die Ernte war mittelmäßig, der Wein aber trefflich. Mir war die Hitze peinlich, übrigens aber der Anblick des fremdartigen und schönen Gestirns, das seinen lichthellen Schweif über einen bedeutenden Teil des Abendhimmels erstreckte, und das ich aus meinem Fenster oft mit Vergnügen betrachtete, anziehend und angenehm zugleich. Nicht alle Menschen teilten dies Vergnügen mit mir. Es gab ihrer, und sehr geistreiche, welchen der Anblick des Sternes Unglück weissagend erschien, und die sich daher vor ihm fürchteten. Zu streiten ist über solche Ansichten nicht, denn Gründe finden hier keinen Eingang. — Hätte aber jener Him-melskörper wirklich ein allgemeines Unglück bedeuten sollen, so waren wenigstens wir Deutsche es nicht; denn die Schrecken des bald darauf unternommenen Feld-zugs von 1812 trafen uns nur in wenigen einzelnen, welche sich eben unter der französischen Armee be-fanden, und vielmehr wurde das Unglück jener Cam-pagne der Grund und die Wurzel, aus welchen sich die Befreiung unseres Vaterlandes im Jahre 1813 ent-wickelt e.
Im Anfang dieses Winters erhielt ich von unserm Freunde Merian in Dresden, mit dem ich fleißig korre-spondierte, einen Brief, welcher mir die baldige An-kunft eines jungen und sehr bedeutenden, sehr hoff-nungsvollen Dichters, Herrn Theodor Körners *^^), ver-hieß, und "mich mit vielem Lobe auf diese neue Er-scheinung aufmerksam machte. Körner sollte sich
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mittelst eines andern Briefes von ihm bei mir einfüh-ren; aber er kam nicht. — Ich hörte von andern Leu-ten, daß er hier und sehr viel mit Schauspielern sei, wie denn auch einige kleine Stücke von ihm: Die Braut, der grüne Domino ^^^) usw. aufgeführt wurden. Ich hatte ihn noch nicht gesehen, so sehr ich es wünschte, und nur in einer der Vorlesungen über die neuere Geschichte, welche Friedrich Schlegel damals im Saale beim „rö-mischen Kaiser" hielt®^^), zeigte mir ihn Frau von Weis-senthurn^^*) von weitem. Es war eine hohe, schlanke, kräftige Jünglingsgestalt, nicht eben mit schönen, aber sehr bedeutenden Zügen, lebhaften blauen Augen bei ganz dunklem Haar und in einem etwas vernachlässigten Anzug. Nicht lange darauf erzählte man sich, daß er ein zärtliches Verhältnis mit einer unserer damaligen ersten Schauspielerinnen, MUe. Adamberger®^^) habe, welche mit einer schönen Gestalt, einem liebenswürdigen heitern • Umgang und einem großen theatraHschen Talent, eine so strenge Sittlichkeit, eine so höchst vorsichtige Auf-führung verband, daß man sie allgemein eben so sehr bewunderte als hochachtete; ja, die jungen Herren, welche sich ihr, als einer Schauspielerin, ohne große Umsicht nähern zu dürfen glaubten, wurden auf eine Art von ihrer Tante, bei der sie mit ihren Geschwistern lebte, empfangen, daß man ihr den Titel: le dragon de vertu gab.
Dieses Mädchen nun, das in so vieler Rücksicht glän-zend vor den Bewohnern Wiens dastand, liebte der junge Mann, der ebenfalls eine leuchtende Erscheinung in seiner Art, nun zum erstenmal so bedeutend im Pu-blikum auftrat. Hedwig^^^) wurde gegeben — Toni (Fräulein Adamberger) gab diese Hauptrolle, und man konnte wohl erkennen, daß die Liebe des Dichters die-
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sen Charakter mit einer Verklärung von Kraft, weib-licher Würde, Geist und Edelmut umgeben hatte, die eigentlich das Werk seiner Leidenschaft und Phantasie war; dennoch aber mit dem Charakter Antoniens — wie er damals vor der Welt erschien — viele ähnliche Grundzüge hatte.
Das Stück, etwas grell und ans Schauderhafte strei-fend — welcher Geschmack schon zu jener Zeit sich hier und dort in Dichterwerken wie die Schuld, der vierundzwanzigste Februar^") usw. zu zeigen anfing — fand sehr viel Beifall, und Antonie erntete für ihr Spiel wohl eben so viel Lob, als ihr Dichter für sein Werk.
Alles dies hatte mich denn ebenso gespannt auf die persönliche Bekanntschaft des jungen Mannes, als wirk-lich ungehalten auf seine Vernachlässigung meiner ge-macht. So ließ ich ihm denn einmal durch Kurländer, der als Theaterdichter in mannigfachen Berührungen mit Körner stand, sagen: Wenn er mich nicht besuchen wolle — so müßte ich es mir gefallen lassen; aber ich bäte ihn nur, mir durch Kurländer
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