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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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und Unfalo
    ihn in allerlei Gefahren bringen, nicht vorfindet. Dies ist wahr; aber ist es wohl erlaubt, aus der Nichtberüh-rung dieses Abenteuers auf das Nichtvorhandensein desselben notwendig zu schließen? Kann nicht ein Schauer, der den höchst gemütsreichen letzten Ritter bei der Erinnerung an jene Gefahr ergriff, die Ursache dieses Verschweigens sein ? Kann nicht — ich glaube, Baron Hormayr hat Ähnliches irgendwo geäußert'^) — eine Art heiliger Scheu ihn abgehalten haben, dies ge-heimnisvolle Begegnis profanen, vielleicht ungläubigen Ohren mitzuteilen; es möge nun jenes rettende Wesen ein wirklicher, von Gott gesendeter Engel—denn die Erhaltung dieses Fürsten war allerdings dignus vindice nodus — oder ein auf wunderbare Weise auftretender Bergknappe gewesen sein. Wie gesagt, ich glaube in meiner Scheu vor dem Erzählen jenes Vorfalls am Muckendorfer Wasserfall eine natürliche Erklärung von Kaiser Maxens Schweigen über den so ungleich wich-tigern und verhängnisvollem Vorfall an der Martins-wand zu erkennen.
    Aber unsere Zeit ist so über alle Maßen skeptisch und nüchtern, hat so ausschließend nur für das Reelle, Handgreifliche, Nutzbare Sinn, daß alles, was sich nicht in diese Kategorien bringen läßt, für sie nicht allein keinen Wert hat, ja, daß es von ihr gar nicht mehr erfaßt werden kann. In dieser Tendenz zum Rea-len übt sich nun auch die historische Kritik mit scho-nungsloser Schärfe, verdächtigt ÜberHeferungen, an deren erhebendem, menschhch schönem Inhalt seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden ^e Welt mit Liebe und Glauben hing, z. B. in den ersten Büchern der römischen Geschichte, oder zieht den trojanischen Krieg — wie ich aus einer Rezension in den „Blättern
    für Literar. Unterhaltung, Dezember 1836""' gesehen^^^) — von seiner glanzvollen Höhe, auf der er der Welt ge-leuchtet, herunter, und sucht ihn zu einer unbedeuten-den, halb wahren, halb erlogenen Expedition einer oder einiger kleinen griechischen Völkerschaften zu machen. Ebenso, nur weit verderblicher und darum verabscheu--ungswürdiger mag auch das, jetzt in vielen kritischen Blättern besprochene Leben Jesu von Strauß sein^^'). Ich habe es so wenig als Uscholds trojanischen Krieg^^) oder Herrn von Niebuhrs römische Geschichte ^^^) gelesen» Aber ich habe in meiner Jugend das Buch des berühm-ten oder berüchtigten Dr. Bahrdt: Die Bibel im Volks-^ ton, wohl gekannt, welches sich mit vielem Scharfsinn und großer Anstrengung Mühe gibt, alles Wunderbare, Göttliche aus der Person und den Taten Jesu Christi hinweg zu deuteln und alles ganz natürlich zu erklären» Zu welchen abenteuerlichen, teils lächerlichen, teils ganz unstatthaften Voraussetzungen und Erfindungen Bahrdt deshalb seine Zuflucht nehmen mußte, leuch-tet wohl jedem unbefangenen und christlich gesinn-ten Menschen ein; aber das Buch machte gewaltig viel Aufsehen. Mir schien es aber schon damals, daß jene sogenannten Erklärungen und Vernatürlichungen der Wunder etwas noch viel Wunderbareres als die wirklichen Mirakel, nämlich ein ganz unwahrschein-liches Zusammentreffen der seltsamsten Umstände,, eine unbegreifliche Betörung und Befangenheit der Zuseher, und endlich einen Grad von Geistesgewandt-heit, Schlauheit und Bildung voraussetzen, der sich bei einfachen Fischern und Leuten aus den niedrig-sten Ständen gar nicht denken läßt. Es ist — so dünkt es mich — mit diesem Wegerklären des Wunderbaren wie mit der Beobachtung der drei dramatischen Ein-
    heiten auf der Bühne, wo denn auch, um ja dem Zu-seher keine Versetzung seiner Gedanken an einen an-dern Ort, oder keinen Glauben an eine längere vergan-gene Zeit zuzumuten, man ihm aufbürdet, zu glauben, daß z. B. eine Verschwörung auf öffentlicher Straße -entsponnen werde, der Vater sich über die innersten Angelegenheiten seiner Familie in einem Vorsaale aus-sprechen oder die totale Sinnesänderung eines ver-kehrten Menschen binnen 24 Stunden stattfinden Jcönne«^o). ^
    So ging denn das Jahr 1810 zu Ende, und das, in so vieler Hinsicht merkwürdige von 1811 brach an.
    Schon im März ward es durch zwei folgenschwere, obgleich unter sich sehr verschiedne Ereignisse be-zeichnet, die Geburt des damaligen Königs von Rom, bei uns später der Herzog von Reichstadt genannt, und