Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Richtigkeit der Empfindung meiner Mutter, denn die Zuschauer waren ebenso empört wie sie durch diesen Auftritt; ein allgemeines Zischen be-urkundete das allgemeine Mißfallen, und hätte, ohne den höchst effektvollen fünften Akt, besonders bei der ungebührhchen Länge des Stückes, diesem beinahe den Untergang gebracht ^^*).
Mit seiner Liebe zu Toni nahm auch Körners Tätigkeit für das Theater zu. Fürst Lobkowitz*^^), der damalige Direktor des Theaters, der Körnern schätzte und Toni sehr wohl wollte, bestimmte ihm mit der Zeit die Stelle eines Theatersekretärs, und eröffnete ihm somit die Aussicht, sich dann vermählen und in Wien etablieren zu können. Man sprach davon, daß seine Eltern den nächsten Sommer ebenfalls nach Wien kommen sollten, um diese Stadt und die Geliebte ihres Sohnes kennen zu lernen, und so dauerte ein lebhaft bewegtes Leben in literarischen, geselligen und politischen Verhältnissen — so angenehm und so ungestört als es die damahgen Zeitereignisse gestatteten, noch eine Weile fort.
Körners Eltern^^^), Fräulein Stock^*'), die Schwester seiner Mutter, und Emma^*^), seine Schwester, kamen diesen Sommer von 1812 nach Wien. Er führte sie so-gleich zu uns, und nun sahen wir diese würdige Familie sehr oft. Mancher Abend an den Tagen, wo wir ohnedies Besuch erwarteten, der oft sehr zahlreich ausfiel, ging aufs angenehmste hin, wenn die jungen Leute entweder tanzten oder Körners verehrter Vater am Klavier den
Gesang seiner beiden vortrefflich unterrichteten Kin-der und meine Tochter begleitete. Das waren sehr schöne Stunden! — Wo sind die Menschen hin, welche sie mir so genußreich verfheßen machten? Wie viele leben noch? Solche wehmütige Betrachtungen mi-schen sich nur zu oft in die Erinnerungen an jene Zeit.
Bald sollte ich auch damals einen empfindlichen Ver-lust dieser Art haben. Frau v. Flies, die mir mit einer Art von mütterHchem Wohlwollen zugetan war, er-krankte mit sehr bedenklichen Zufällen, welche auf eine Brustentzündung oder so etwas schheßen ließen. Ich besuchte sie den dritten oder vierten Tag, und fand sie zwar sehr angegriffen und leidend (sie klagte haupt-sächHch über Mangel an Atem), doch hegte sie selbst keine Vorstellung von Gefahr. Sie hatte sich vielmehr für denselben Abend eine Spielpartie bestellt, und re-dete mit mir über eine projektierte Fahrt nach Hietzing zu ihrer Schwägerin Baronin Eskeles, welche nächsten Sonntag hätte statthaben sollen, und wo wir mit Kör-ner zusammen gebeten waren. Voll guter Hoffnung für ihre Besserung, verließ ich sie um ein Uhr mittags — um drei Uhr machte ein Schlagfluß ihrem Leben ein Ende, und in ihr verlor ich — was jedermann gewiß als einen bedeutenden Verlust anerkennen wird — eine teilnehmende, verständige und warme Freundin. Friede sei mit ihrer Asche!
Wenige Wochen nach ihrem Tode kam ein Brief Goethes an die Verstorbene an^'^), der eigentlich mich betraf, und den ihre Schwägerin, die nun auch verstor-bene Baronin Eskeles^'"), mir mit vieler Güte zusandte. Früher schon hatte ich durch die Vermittlung eben dieser Freundin, der Frau v. FHes, einen Brief von dem Hoch-bewünderten erhalten, der direkt an mich lautete*'^).
Toni Adamberger als Emilie Galotti' Photographie nach einem anonymen- Gemälde — Städtisches Museum, Wien
Er sammelte nämlich Handschriften, gab Frau v. Flies, mit der er fast jährlich in Karlsbad zusammentraf, den Auftrag, ihm deren in Wien zu verschaffen, und sie, die gern jedermann verpfHchtete, und in ihrer isoKerten Stellung als kinderlose Witwe hierin einen \Lebens-zweck fand, nahm denn Goethes Auftrag willig an, gab auch mir die weitere Weisung, mich um Autographen bedeutender Menschen in Wien umzusehen, und als ich einige, namentlich von Mozart und Haydn, erhal-ten hatte, riet sie mir, sie Herrn v. Goethe mit einem Briefe selbst zu übersenden. Dies geschah denn alles wie meine mütterliche Freundin in ihrer Hebevollen Geschäftigkeit angeordnet hatte, und ich erhielt durch sie Goethes sehr höfliche, aber diplomatisch steife, um-sichtige Antwort, in der er sich, wie es schien, vorge-setzt hatte, ja nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig zu sagen, und die mich darum sehr wenig freute.
Ganz anders war der zweite — jener Brief an meine bereits verstorbene Freundin. Hier hatte er sich gehen lassen, und war eben dadurch recht liebenswürdig er-schienen. Der ganze Brief betraf meinen Agathokles. — Er hatte ihn gelesen, das Buch hatte ihm gefallen, aber
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