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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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unserm geseUigen Kreise sehr empfunden.
    Indessen ging die Welt draußen, um uns her ihren vielbewegten, stürmischen Gang fort; denn an ihrer Spitze stand der gewaltigste und unruhigste Geist die-ses Jahrhunderts, Napoleon, der alles mit der Macht seines Genies und Ehrgeizes aufregte und durchein-ander trieb. Mit Recht sah man tägHch neuen Gewit-tern und Stürmen entgegen, die zwar noch nicht an unserm Horizonte aufgestiegen waren, auf die aber jeder, der die Zeit kannte und nur etwas Voraussicht hatte, sich mit der größten Wahrscheinlichkeit vor-bereiten durfte, und vor welchen — so glaubten auch die Vernünftigsten — uns selbst weder die Vermählung mit der Tochter der Cäsaren noch die Geburt des En-kels unsers Monarchen schützen würde, wenn es dem gewaltigen Geiste gefiele, Österreich zu einem seiner direkten oder indirekten Staaten zu machen. In einem Sinne hatten diese Propheten richtig geraten; daß es ge-rade der entgegengesetzte war, ließ damals in Öster-reich, ja in Europa sich kein Mensch träumen, vielleicht selbst Talleyrand**') nicht, der den Marsch nach Ruß-land im folgenden Jahre: Le commencenjent de la fin genannt haben soll.
    In diesem Sommer, der uns so manchen Verlust ge-bracht und in Rücksicht der unausstehlichen Hitze so manche Freude verdorben hatte, fehlte es doch an kleinen Unterhaltungen nicht. Ich hatte Gelegenheit, interessante Fremde kennen zu lernen — Wilhelm v. Humboldt mit seiner Frau ^*^), einer höchst geistreichen Dame, die ich bei Schlegel kennen lernte, die sich aber, weiß Gott warum ? gegen mich äußerst schroff benahm, und, so wie auch ihr Mann, in dem übrigens sehr klei-nen Kreise desselben Abends, unter höchstens 8—lo Personen, mich auf eine auffallende Art ignorieren zu wollen das Ansehen hatte. Nie habe ich erfahren, wo-her diese übersehende, ja ganz unfreundliche Behand-lung kam, da ich sonst (ich darf das sagen, ohne daß man es mir als Ruhmredigkeit auslege) gewohnt war, wenigstens, wenn man mich Jiicht kannte, mit der ge-gen Unbekannte gewöhnlichen Höflichkeit, und wenn ich genannt wurde, mit Auszeichnung behandelt zu werden. Diesmal war es anders, und vergebens habe ich nachgesonnen, was wohl die Ursache davon habe sein können, da ich Herrn und Frau von Humboldt jenen Abend zum erstenmal in meinem Leben gesehen hatte.
    Zur selben Zeit wohnte auch eine Freundin der Frau von Schlegel, eine Madame Herz**^) aus Berlin, auf einige Zeit bei ihr, eine sehr majestätische, und hätte man sie durch ein Verkleinerungsglas betrachten können, wirklich schöne, dabei geistvolle, freundliche, gebildete Frau, mit der ich manche vergnügte Stunde zugebracht. Durch sie erfuhren wir eine sehr komische Anekdote von dem berühmten Romandichter Lafon-taine, der auch dazumal im Sommer 1811 nach Wien gekommen war, den wir aber, Schlegel und ich, nicht
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    kennen lernten, weil er sich bei keinem von uns auffüh-ren ließ. Seine Lieblingsbeschäftigung war es, sich im sogenannten Wurstelprater bei den Schenken, Schau-keln, Pulcinellen usw. herumzutreiben, das Volk in sei-ner Fröhlichkeit dort zu betrachten, und vielleicht manche psychologische Bemerkung zu machen. In die feinen Gesellschaften ging er nicht, in keinem von allen mir bekannten Häusern hatte er Zutritt gesucht. Aber ein paar Damen, welche seine Romane mit großer Er-hebung und Rührung (wie mehr oder minder wohl wir alle vor 30—^40 Jahren) gelesen hatten, und nach ihrem Ton und ihrer Tendenz in dem Autor einen zarten, fei-nen, vielleicht zierHchen, gewiß aber sehr anziehenden Gesellschafter zu finden glaubten, ließen ihn zum Tee bitten, und freuten sich schon sehr auf den genußrei-chen Abend mit dem Verfasser so rührender, zärtlicher Dichtungen. Es war ein heißer Tag in Mitte des heißen Sommers — es wurde 7, halb 8, 8 Uhr — eine für jene Zeit viel zu späte Stunde, um zum Tee zu erscheinen. — Lafontaine ließ sich noch immer erwarten. Endlich um halb 9 Uhr trat ein mittelgroßer, sehr korpulenter, sehr abgeschwitzter Herr ein, es war der erwartete Dich-ter, der sich in einemfort den Schweiß abtrocknete, über die Hitze klagte, sich statt des Tees und der Kon-fitüren — ein Glas Bier ausbat, und mit großer Lust statt von zarten und erhabenen Dingen, wie wohl er-wartet worden war, von dem Vergnügen sprach, das ihm der obengenannte Wurstelprater geboten. Wie waren die Damen von ihrer ätherischen Höhe herab-gestürzt!
    Bald darauf erschien, nicht hier auf Erden, aber am

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