Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Nacht quälten mich Erinnerungen an die Schreckens-szenen, die ich angesehen, dennoch erkannte ich das höchst Unmoralische, ja Antichristliche dieses Stückes, und mußte dem Urteil eines sehr verständigen alten Herrn, des Grafen von Chotek®^") beipflichten, der mir beim Herausgehen sagte, es sei ein gottloses Stück. Körners reine, gesunde Seele wurde von dem Hauche der Modetheorie nur leicht gestreift. In seinen Stücken ist wenig Spur davon, wenn nicht vielleicht ein kleines, nicht eben sehr glückHches Trauerspiel in einem Akte: Die Sühne ®^^), zu dieser Gattung zu rechnen ist. Ihn bewahrte Schillers — des Freundes seiner Eltern — Ge-nius, und es ist klar zu erkennen, wie groi3en Einfluß die-ser überhaupt auf des jungen Mannes Geist hatte.
Unter solchen Beschäftigungen, Ansichten, Lektüren und mitunter sehr trüben Aussichten in die nächste Zu-kunft für das Allgemeine ging das Jahr 1812 zu Ende, und mit dem folgenden traten wir und ganz Europa in eine Periode des Umschwungs, der Veränderung, der Umstaltung darf man wohl sagen, von der noch ein Jahr vorher wohl niemand etwas geahnt, und selbst als die ersten Zeichen der kommenden Dinge sich sehen ließen, noch niemand das Ende vorhersehen oder sich versprechen konnte, das wirklich erfolgte.
Die französische Armee w^r durch den Winter auf russischen Eisfeldern, durch die Affären an der Bere-
sina, durch den Brand von Moskau so gut wie vernichr^ tet, und so wie die letzten Reste dieser Unglücklichen durch die preußischen und deutschen Lande ihrer Hei-mat zuzogen, schien es, als richtete, dicht hinter ihnen, der deutsche Geist, der deutsche Mut, die Hoffnung besserer Tage sich empor. Man sprach von den Rü-stungen der Preußen. Hier und da ließen sich Stim-men hören, die einen frischen kriegerischen Klang hat-ten, und bei dem Worte empor denkt man gleichsam unwillkürlich an Rückerts geharnischte Sonette, wo-runter eines die Etymologie des Wortes Empörung eben von Empor, vom Aufrichten unterm Druck, vom Erheben des Geistes aus der Schmach ebenso wahr als sinnig herleitet ^^2). Auch Körner ließ seine Saiten er-klingen, und eines Abends wurde, trotz der Anwesenheit des, übrigens sehr liebenswürdigen und uns allen werten Freiherrn von der Malsburg^^^) — damals bei derwest-fähschen Gesandtschaft angestellt — Körners JägerKed < nach Schubarts Melodie: Auf, auf, ihr Brüder und seid stark! beinah im Chorus bei uns gesungen®^^). Solchen Anklang, solchen tiefempfindenden Widerhall fanden die Worte des Liedes.
Bald darauf war es entschieden, daß Preußen die Waffen gegen Frankreich ergreifen, sich, wie es Napo-leon nannte, empören würde, und Mut und Todesver-achtung, Vaterlandsgefühl und bange Sorge, Hoffnung und Furc]it regte sich in allen Teilen Deutschlands, und so auch bei uns. Was unser Hof beschließen würde, war unbekannt. War doch die Kaisertochter mit dem allgemein Gefürchteten, Gehaßten, aber Allmächtigen vermählt, und ein Kind — ein Sohn hatte dies Band fester gezogen und heiHger geknüpft. Dies Band, das -^ Napoleon, der Wahrheit zur Steuer muß es gesagt wer-
den, selbst sehr zart und treu hielt, seiner Gemahlin mit Liebe und Achtung begegnete, und als bei ihrea* schweren Entbindung die Ärzte einige Augenblicke zweifelhaft waren, ob sie Mutter oder Kind retten sollten — schnell entschied, daß man die Mutter er-halten solle, obwohl ihm unendlich viel an der Geburt eines Kindes, das eigentlich seine neue Dynastie grün-den und besiegeln sollte, gelegen sein mußte •'*•).
Immer lebhafter ward die Bewegung um uns her. In jungen Leuten regte sich kriegerischer Sinn, und Kör-ner war einer der ersten, welcher sich erklärte, preußi-sche Dienste nehmen zu wollen. Dieser rasche Ent-schluß befremdete in vieler Hinsicht das Publikum, dem der junge Mann durch sein schönes Talent und beson-ders durch dessen Anwendung auf die Bühne schon gleichsam angehörte. Noch war, trotz des drückenden Gefühles der Unterjochung und des glühenden Fran-zosenhasses, der fast in jedem Herzen lebte, und trotz des lebhaften Wunsches vieler Bessern, das schmähliche Joch auch mit großen Aufopferungen abzuschütteln, die Zuversicht auf einen glücklichen Erfolg dieses Ver-suches nur gering. Es war mehr ein begeisterndes Ehr-und Nationalgefühl, als eine klare Vorstellung von dem möglichen Gang der Dinge, was die meisten aufregte. Überdies waren Körners Eltern in Dresden angesiedelt, und der Vater stand im Dienste des Königs
Weitere Kostenlose Bücher