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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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und litt häufig an aufgereizten Nerven, an Migräne, Krämpfen usw., eine sehr begreifliche Folge der Zeitenstürme, die seit un-gefähr zehn, zwölf Jahren über uns alle ergangen waren, und vielleicht auch meiner Beschäftigung mit Poesie. Eben an dem Montag, wo jene Vorlesung statthaben soUte, es war der 7. März, und wenn ich nicht irre, der Geburtstag von Hormayrs älterer Tochter, der sehr ver-dienstvollen jetzigen Baronin v. Kreß'°^), überfiel mich eine so heftige Migräne, daß ich unmöglich außer dem Bette bleiben, Toilette machen und vorlesen hätte können. Sehr unzufrieden, die verabredete Unterhal-tung stören zu müssen, blieb mir dennoch nichts übrig als zur Baronin Matt zu senden und mich entschuldigen zu lassen. Weder ich noch sonst jemand von uns allen hatte auch nur von fern eine Ahnung von der Kata-strophe, welche, auch wenn ich gesund geblieben und bei Matt gewesen wäre, unsere projektierte Lesung auf eine schreckhafte Art zu nichte gemacht haben würde. Es war noch früh am andern Morgen, als man mir, die an nichts so Schreckendes, und überhaupt für den gegenwärtigen Augenblick an nichts Arges dachte, einen — Sekretär, oder was der Mann eigentlich war,
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    des Grafen von Szecheny'"*) meldete, dieses ausgezeich-neten Mannes, in dessen Hause ich eben mit Hormayr, der (wenn ich nicht irre) den Grafen bei mir eingeführt hatte, oft zusammen getroffen und genußreiche Stun-den im Kreise höchst würdiger und gebildeter Men-schen, wie es die ganze Sz^chenysche Familie war, ge-nossen hatte.
    Dieser Beamte des Grafen trat ein, und erkundigte sich mit verlegener, bestürzter Miene, ob ich den vori-. gen Abend bei der Baronin von Matt gewesen, und welche Auskunft ich dem Grafen über die beunruhi-gende Nachricht geben könne, daß gestern Abend Ba-ron Hormayr in seiner Wohnung arretiert und von Wien weggeführt worden sei?
    Ich war aufs höchste erstaunt und sogleich bestürzt. Hormayr gehörte zu den nähern Freunden unsers Hau-ses; ihm verdankte ich manche genußreiche Unterhal-tung, manche belehrende Nach Weisung in der Geschichte meines Vaterlandes, in welche ich durch ihn eigentlich eingeführt worden war, so wie in die Geschichte über-haupt, und manche bedeutende Gefälligkeit, die er mir und den meinigen, denen er allen wert war, erwie-sen hatte'"^). Noch gestern Abend sollte ich mit dem verehrten Freund eine gemeinschaftliche Lesung unter-nehmen; wie wenig dachte ich, wie wenig mag wohl er selbst an die Möglichkeit gedacht haben, daß unser Pro-jekt auf diese Art gestört werden sollte! Bevor er sich zur Lesung einfinden wollte, beging er mit einigen Freunden zu Hause den Geburtstag seines Kindes, und hier ereilte ihn sein Schicksal! Ich war unaussprech-lich von diesem Ereignis ergriffen, dessen mögliche Fol-gen mir schauderhaft in jenem ersten Augenblicke des Schreckens vorschwebten.
    Da ich gänzlich unwissend über alles war, konnte ich auch dem Grafen Sz^cheny nichts antworten lassen, was das verworrene Dunkel dieser Gefangennehmung erklärt hätte; bald darauf vernahm ich, daß ein dump-fes Gerücht von dem, was in jenem Augenblicke mit Baron von Hormayr geschehen war, sich schon gestern bei der Baronin von Matt verbreitet hatte, daß alle bestürzt waren, vorzügUch aber der damals als Diplo-mat und Gelehrter, als eifriger Freund des deutschen Vaterlandes bekannte und gerühmte Freiherr von Ga-gern'***). Dieser ausgezeichnete Mann war ein Freund Hormayrs und mit ihm von einerlei Gesinnung, einerlei Streben, den niedergedrückten Geist seiner Landsleute aufzurütteln und sie zu mutigen Entschlüssen zu be-geistern. Zu diesem Behufe hatte er damals die Natio-nalgeschichte der Deutschen zu schreiben begonnen, wovon der erste Band, mit typographischer Eleganz ausgestattet, in Quarto zu Wien noch im Jahre 1813 herauskam. Sie war in ernstem, edlem Geist, aber in einem Stile geschrieben, der fast zu sehr an Tacitus und Johannes Müller'®^) erinnerte. Baron Gagern besuchte auch unser Haus, wie denn damals die in der Literatur ausgezeichneten Männer häufig und gern die Gesell-schaften besuchten, wo gebildete Personen verschiede-ner Stände, Geschlechter und Lebensbedingungen sich zu heiterm Gespräch oder Lektüre oder andern geselli-gen Vergnügungen zusammenfanden. So war es von meiner Kindheit an in meiner Eltern und später iA meinem Hause gewesen, so waren die Abende bei Frau von Flies und Baronin Matt, bei Bäfonin Pereira, bei den treffHchen Piquot'***) und

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