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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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Gesellschaft erinnert. Sei es nun, daß meine Stellung als Schriftstellerin, die mich gleichsam mit Künstlern in eine Reihe zu ordnen schien, oder ein bescheidenes, zurückhaltendes Betragen von meiner Seite, welches stets danach eingerichtet war, diesen Damen zu zeigen, daß ich mich ebensowenig als ihresgleichen betrachtete, als ich fern davon war, mir ihre Artigkeiten als Gnaden anzurechnen — mir diese recht angenehme Stellung zu der haute volee ver-schaffte, genug, ich hatte sie, und die Erinnerung an die genußreichen Abende, die ich in diesem Hause zu-brachte, und wo ich auch den seHgen Erzherzog Ru-dolf684) mit seltener Fertigkeit Beethovensche Ton-stücke auf dem Fortepiano vortragen hörte, wird mir stets wert bleiben.
    26 c. P. I
    Es war eine lebhaft bewegte Zeit damals — eine Zeit, in der die Geister großer Begebenheiten ihnen schon ahnungsvoll in Deutschland vorangingen, und dadurch eine Stimmung erzeugten, welche auch auf die Litera-tur großen Einfluß hatte. Im Jahre i8n war unser Hof in Dresden mit Napoleon zusammengekommen und der Feldzug gegen Rußland verabredet worden, wozu unser Kaiser ein Hilfskorps unter dem Kommando des Fürsten von Schwarzenberg*^^) zu geben versprochen hatte. Im Jahre 1812 fand dieser Feldzug statt, und seine Geschichte, der Brand von Moskau, der Untergang des französischen Heeres, und das Non plus ultra, welches die göttliche Vorsicht auf Rußlands Eisfeldern dem kühnen Eroberer setzte, sind noch lebhaft in jeder-manns Gedächtnisse. Wohl erinnere ich mich der sehr verschiedenen Sensation noch, welche die Nachricht jenes Brandes in Wien erregte. Mir brachte sie eines Morgens meine, in diesem wie in vielen andern Dingen gleichgesinnte Freundin, Frau von Schlegel, und ich fühlte mich so wie sie begeistert, erhoben von diesem zwar grausamen, aber heldenmütigen und notwendigen Ent-schlüsse Rostoptschins**^). — Wir gaben uns die Hände, wir dachten an Sagunt, Numantia, Saragossa — und freuten uns, in unsern .Tagen noch solche wahre, antike Größe zu erleben. Andere, z. B. meine Mutter, unser Freund Hof rat Büel'^'), ein sonst durchaus deutschge-sinnter Mann, schauderten darob, und nannten diesen Brand eine gräßliche, barbarische Tat. Ebenso ver-schieden fielen auch die Urteile der Menge aus; aber wir, die gleich vom Anfange dafür gestimmt hatten, erlebten die Genugtuung, daß der Erfolg die Zweckmäßigkeit dieses Mittels vollkommen ge-rechtfertigt hat.
    In der Literatur, auf welche der Zeitgeist jedesmal einen unausweichlichen Einfluß übt, hatten der Frem-dendruck, die Unsicherheit aller Lebensstellungen, die stets erneuerten Stürme, denen auch der ruhigste, un-befangenste Bürger nicht zu entgehen imstande war, eine Ansicht des Lebens hervorgerufen, welche dem Fatalismus sehr ähnelte, und mir nach meinem Dafür-halten, obwohl der erste Impuls dazu von dem christ-hchen, ja katholischen Z. Werner in seinem vierund-zwanzigsten Februar ausgegangen war, sehr unchrist-lich schien. Dies waren die sogenannten Schicksalsdich-tungen : Die Schuld, jener viemndzwanzigste, und der neunundzwanzigste Februar u. a. ^^^), und diese Rich-tung verbreitete, wie jede Mode, sich schnell und weit. Es erschienen Novellen, Theaterstücke, Gedichte, alle in diese trüben Schleier gehüUt, wo der — oft willenlos, oft im Sturm der Leidenschaft ausgesprochene Fluch des Schwergereizten — oft eine Familiensage, ein un-schuldiges Werkzeug, an welches sich Unglück knüpfte, hinreichte, um das Lebensglück guter harmloser Men-schen zu zerstören, und wo also die Vorsehung, dieser Ansicht nach, zur Vollstreckerin des Willens und Aus-spruchs der Rache, des Hasses, oft der Dummheit ge-macht wurde. Wie gänzlich dies der christlichen Moral zuwiderläuft, leuchtet wohl jedem ein, der es unpar-teiisch betrachtet; damals aber fanden, durch die Mode-tendenz hingerissen, auch die Besten und Frömmsten keinen Anstoß daran. Was mich betrifft, so yerfehlte wohl die Aufführung der Schuld ihres gewaltigen dra-matischen oder eigentHch theatrahschen Eindrucks auf mich nicht. Ich war sehr ergriffen, besonders von der Szene, wo Hugo und Elvire sich über Carlos Tod, ihre früher schon genährte Leidenschaft mit geheimen
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    Schauern besprechen, das Theater sich allmählich ver-dunkelt, und nun plötzlich, von dem Lichte, das der Knabe vorträgt, hell beleuchtet, ihnen das Bild des Ver-ratenen, Ermordeten in der Gestalt und den Zügen ' seines Vaters entgegentritt®^^). Im Traume der folgen-den

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