Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Tale, eine Stiftung Albrecht des Lahmen oder Weisen von Öster-reich, aus dem vierzehnten Jahrhundert; gegründet, wie man sagt, infolge eines Gelübdes, welches Albrecht für die Befreiung seines unglücklichen Bruders Frie-drich aus der Haft zu Trausnitz gemacht hatte ^'^). Das Porträt Albrechts war hier zu sehen — eine edle Ge-stalt mit sehr angenehmen Zügen, da aber das Gemälde offenbar einer spätem Zeit angehört, so läßt sich über die Treue nichts sagen, als daß Albrecht der Weise, der als Fürst und Mensch die Achtung seine/Zeitgenossen besaß, wohl so ausgesehen haben konnte, und die Habs-burgische Familienähnlichkeit auch zu bemerken war. In dieser Hinsicht war es mir auffallend, als 1809, während der Anwesenheit der Franzosen, Professor Fischer^'') (der damals noch lebende berühmte Bildhauer) auf Be-fehl des Kronprinzen von Bay^ern (jetzt König Lud-wig) die Büste eben jenes unglücklichen Friedrich des Schönen nach noch vorhandenen Denkmälern arbei-ten mußte, daß diese Züge besonders um den Mund herum, einige AhnHchkeit mit denen unsers hochver-ehrten Erzherzogs Karl trugen.
Unter Regenströmen fuhren wir von Gaming nach Lunz. Auf dem Wege, noch voll von den Bildern und
Empfindungen, welche Gaming und die Geschichte r
der beiden edlen Brüder in mir erregt hatte, dichtete .
ich die Romanze: Gaming, welche jene Geschichte -
besingt und so beginnt:
Der Regen strömt, die Wälder brausen, Die Nebel hängen tief ins Tal —«'8)
Ein einsamer Wanderer kommt in diesem Unwetter in das stille Gaming — er ist unglückHch — er findet hier Frieden, und vernimmt' von einem der Kloster-brüder, der das Gelübde des Schweigens zuweilen bre-chen darf, die Geschichte Albrechts und Friedrichs. :
Über Lunz, den Zellerrain und noch manche andere sehr hohe Berge setzten wir, teils im Wagen, teils zu Fuße, wie es die Witterung erlaubte, unsern Weg fort,, und gelangten endHch nach Neuhaus, das ganz auf der Spitze eines Berges liegt, zu Fuße dritthalb Stunden abwärts steigend nach Maria-Zeil, das mir auch dies wie alle übrigen Male, so oft ich es betreten, wie ein Hafen der Ruhe und stillen Freude in Gott erschien.
Am zweiten Tage kamen wir nach Lilienfeld, das ich nun schon mehrere Jahre nicht gesehen hatte, und wo eine gewaltige Überschwemmung das schöne Tal in-dessen verheert, die blühenden Wiesen mit Schutt be-deckt, und eine ebenso zerstörende Feuersbrunst daa Gebäude großenteils in Asche gelegt hatte'''*); das Dor-mitorium, dieses schöne Überbleibsel des Mittelalters, war vernichtet, und somit die meisten Urbilder aus die-. ser Gegend, welche mir bei der Dichtung der Hohen-berge vorgeschwebt, verändert oder ganz zerstört wor-den.
Der Herr Prior, eben jener Dichter, und ein paar andere Geistliche, deren ich mich aus früheren Be-suchen erinnerte, empfingen uns gastfreundlich. Die
Unglücksfälle, welche das Stift indessen getroffen, und die nahe bevorstehende Prälatenwahl waren die Gegen-stände unserer lebhaften Gespräche, und mir schien immer, wenn ich P. Ladislaus betrachtete, als sähe ich schon die goldene Kette mit einem Kreuze an seiner Gestalt, welche durch einen feinen Anstand und ein sehr gebildetes Benehmen sich gar wohl dazu qualifi-zierte.
Was wdr damals dachten, geschah auch bald^^*^) — und noch denselben Herbst besuchte uns der neue Herr Prälat, der seitdem noch ganz andere Stufen geistHcher Würden erstiegen hat, in Wien, und von dieser Zeit an besuchten auch wir ihn öfters in seinem Stifte, dessen romantische Lage sehr einladend ist, und wo wir von ihm immer mit der größten GastfreundHchkeit auf-genommen wurden.
Pichler hatte stets warmen Anteil an allen meinen literarischen Arbeiten genommen, sie immer zuerst ge-lesen, wie ich sie am Morgen niedergeschrieben und oft selbst noch nicht überschaut hatte. Nun hatte er schon seit längerer Zeit den Wunsch geäußert, daß ich mich einmal im Dramatischen versuchen und etwas für das Theater schreiben sollte. Ich tat es nicht gern. Meine ganze Geistesrichtung war nicht für das Lebhafte, An-schauliche, welches eine wichtige Handlung mit allen ihren Motiven und Folgen in schneller Entwicklung vor Augen stellt. Ich liebte es vielmehr, langsam und wohlberechnet die Fortschritte der Empfindungen, die" unmerklichen Übergänge in den menschlichen Gemü-tern mit beobachtendem Auge zu verfolgen und darzu-stellen, wozu sich denn der Roman, vorzüglich der in Briefen, ganz besonders eignet. Doch wollte ich
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