Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Reifrocke, der aber zum Negligee
nur von kleinem Umfang war und Hanserl genannt wurde, vor der Fürstin erscheinen durfte. Dies machte sehr frühes Aufstehen auch den Kammerdienerinnen, wenigstens denen, welche für diesen Tag im Dienste waren, notwendig. Die Toilette der Kaiserin war der mühsamste, wie der unbelohnendste Teil des Dienstes, den meine Mutter zu versehen hatte. Da sie ihn aber mit ebensoviel Geschmack als Schnelle und Geschick-hchkeit versah, so ward ihr die Pflicht, ihre Monar-chin täglich zu frisieren, dahingegen die andern Fräu-lein im Dienste abwechselten und manchen Tag ganz frei hatten. Diese ganz freien Tage wurden auch meiner Mutter nach ihrer Tour, nur daß das Frisieren am Morgen und das Vorlesen auf die Nacht jeden Tag ihr ausschließendes Geschäft blieb, in welchem keine andere sie ablösen konnte, weil keine es so zu verrichten verstand wie sie.
Dieses Frisieren und die Verfertigung des Kopf-putzes war denn aber auch für meine Mutter eine nur zu ergiebige Quelle von Verdruß und Kränkungen. Man kennt das Wort, welches über Elisabeth von England gesprochen wurde: ,,Selbst die größte Königin ist doch eine Frau." Dieses Wort, obgleich Maria Theresia, ihren moralischen Eigenschaften nach, als Frau weit über Elisabeth stand, traf sie doch auch, und sie unter-lag dem allgemeinen Los unsers Geschlechtes. Ihre Gestalt, die aber wirklich von höchster Schönheit war, und die Ausschmückung derselben durch vorteilhaften Putz beschäftigte sie etwas mehr, als man gemeinhin von einer Frau, die mit so vielem Geist, mit so viel männlichem Starkmut so weite Länderstrecken zu be-herrschen verstand, hätte vermuten sollen ^*^). Nur muß man zur Steuer der Wahrheit hinzusetzen, daß
diese Freude an ihrer Schönheit, und die Zeit, die sie ihr widmete, nie ihren wichtigeren Pflichten Eintrag tat; noch viel weniger aber Gefallsucht oder eine größere Aufmerksamkeit für das andere Geschlecht zur Quelle hatte. Maria Theresia stand in dieser Rücksicht flecken-los vor ihrem Zeitalter, und, was noch weit mehr sagen will, auch vor ihrer Umgebung, ihren dienenden Frauen, im höchsten Glanz frommsittlicher Würde und ehelicher Treue da. Wie ein Mädchen aus den mittleren Ständen, bei denen mehr das Herz als eigen-nützige Rücksichten die Wahl des Gatten bestimmt, und man für sich und nicht für seine Väter liebt (wie Haller sagt)^^), hatte sie den Gemahl gewählt, den schönen, liebenswürdigen Jüngling, der mit ihr erzogen worden oder sich doch während seiner Jugend am Hofe ihres Vaters aufgehalten hatte. Weder Landesmacht noch große Vorteile brachte ihr in politischer Hinsicht die Ehe mit dem Prinzen Franz von Lothringen, der später das Großherzogtum Tos-kana erhielt^®). Aber er und sein Bruder Karl^^) lebten am Hofe Kaiser Karls VL, und seine zwei Töchter, Maria Theresia und Marianna ^^), neigten sich in Liebe zu den beiden Brüdern. Theresia teilte den Thron ihrer reichen Erbstaaten mit Franz von Lothringen, und Mariannä brachte ihrem Gemahl das Gouverne-ment der Niederlande. Nie hat Maria Theresia je einen andern Mann schön oder anziehend gefunden, und meine Mutter, eine Frau von so vielem Geiste, daß ich keine in dieser Rücksicht mit ihr zu vergleichen weiß, eine Frau, die in ihrer ganzen Denkart so weit von blindem Enthusiasmus als Schmeichelei und Schranzenwesen entfernt war, die die Fehler und Schwächen ihrer Gebieterin wohl sah und sehen mußte,
weil sie dreizehn Jahre um sie lebte, hat in Rücksicht weiblicher Würde und ehelicher Treue Marien There-sien immer als das Vorbild ihres Geschlechtes ge-priesen. . •'■
Ihre trübsten Stunden hatte meine Mutter also bei der Toilette der Kaiserin oder bei der Verfertigung ihres Putzes, denn dazumal wußte man nicht so viel von Marchandes de mode, und die Fräulein, welche die Monarchin bedienten, waren auch größtenteils ihre Putzmacherinnen. Oft — sehr oft mußte eine Haube vier- bis fünfmal anders gesteckt werden, bis sie nach dem Geschmacke der Gebieterin war, und wer diese Art von Arbeit zu beurteilen versteht, wird wissen, daß ein „öfteres Auf- und Andersmachen der Sache gar nicht förderlich ist, ja meistens die Schön-heit der Stoffe und des Zubehörs ganz zerstört. Eben-so ging es mit der Frisur. Auch an dieser zupfte, rupfte, änderte die hohe Frau so viel und so lange, bis sie verdorben war und neu gemacht werden mußte^ was denn bei der damaligen Art des Haarputzes ge-meiniglich dahin führte, daß der
Weitere Kostenlose Bücher