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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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in dessen Hand es gelegt ist, guten, edlen Samen in die jungen Herzen zu streuen,
    der im Mannesalter seine segensreichen Früchte tragen soll, immer ehrwürdig und schön vor, und ich fand (wie ich es späterhin in dem Roman „Frauenwürde" 2«) deutlicher auseinander zu setzen mich bemüht habe), daß der Himmel sehr gütig gerade dadurch für uns gesorgt hatfe^ daß er uns unsere PfHchten so deutlich vorgezeichrret und uns dadurch vor so vielen gefähr-lichen Irrtumern und schmerzHcher Reue bewahrt hatte.
    So wehrte ich denn meiner Zunge, meinen Mienen und Blicken, daß sie nicht das schmerzliche Geheimnis meiner Brust verrieten, und es gelang mir so wohl, daß vielleicht nur ganz wenige meiner nächsten Bekannten eine Ahnung davon hatten. Dies war auch um so mehr zu hoffen, da Fernando sich nie lange in Wien auf-gehalten hatte, unser Verhältnis ohnedies kein er-klärtes war und wir uns vor der Welt stets mit der nötigen Zurückhaltung betragen hatten. Die Sache löste sich ganz leicht und unbemerkbar auf und ich entging dem Gespötte und dem kränkenden Mitleid.
    Aber mein Geist war ernster geworden. Manche laute Freude, die mich früher vollgenügend angespro-chen und mein ganzes Wesen erfüllt hatte, wie z. B. der Tanz als Tanz, große Gesellschaften, wo eine Men-schenflut durch die Säle auf- und abwogte, Prater-fahrten an Frühlingssonntagen, besonders hinab bis ins Lusthaus, wo zahllose Equipagen und eine wim-melnde Menschenmenge im buntesten Putz alle Sinne betäubend beschäftigten 2^°); — alles dies, was ich sonst mit jugendlichem Mute gewünscht und genossen hatte, fing an, seine Reize für mich zu verlieren, ja manches beinahe mir lästig zu werden, vorzüglich die großen Gesellschaften und überhaupt das Geschwirre und Ge-treibe vieler, mitunter auch unbekannter Menschen.
    Ich suchte die Einsamkeit öfter und lieber, ich fand eine Art von Beruhigung und Beschwichtigung meiner schmerzHchen Gefühle in derselben, welche mir keine sogenannte Zerstreuung und Unterhaltung gewähren konnte, und schon damals begann diese Richtung meines Geistes sich zu entwickeln, vermöge welcher ich jede Kränkung, jeden Schmerz, ja auch jede Sorge und Angelegenheit am liebsten ganz für mich und mit mir allein ausmachte, bekämpfte oder zur Ruhe sprach. Mehrere ernste Bücher fingen an, mich tief anzu-sprechen. Ich las Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte^^^), mehrere lateinische Klassiker, den Virgil, Lucan, Tacitus, Seneca, Horaz, TibuU, meist, mit den beiden Freunden meiner Eltern, Alxinger und Haschka, deren kenntnisreiche Erklärungen mir das Verständnis dieser Schriften erleichterten und meinen Geschmack leiteten; ja sogar einige Satiren des Juvenal und Persius durfte ich unter Alxingers Anleitung und nach strenger Auswahl lesen. Großen Eindruck machten einige Stellen des Virgil, die ich jetzt noch auswendig weiß, auf mein Gefühl — und häufige Tränen flössen dem Tode desNisus undEuryalus, sowie dem des Turnus, den ich, sowie beim Homer den Hektor, nun einmal als den unschuldig Verfolgten und Beeinträchtigten in mein Herz geschlossen und gegen den Äneas in Schutz ge-nommen hatte. Vielleicht war der Umstand, daß ich Blumauers Travestie früher als das Original gelesen, viel schuld an meiner Abneigung gegen den frommen Helden, aber ich konnte nicht umhin, diesen Mann, der der begegnenden Nymphe in den Lybischen Wäl-dern sich selbst als den „pius Aeneas fama super aethera natus" ankündigt ^^2), bei jeder Gelegenheit steif und fade zu finden und immer in ihm den Äneas
    eanz von Butter zu sehen, wie ihn Blumauer auf einer Torte darstellt*) ^ss).
    Viel tiefer aber ergriffen mich des Tacitus und Seneca-^chriften und die Gesinnungen, die in den-selben; ausgedrückt sind. Vieles übersetzte ich mir daraus, machte aus andern Auszüge und strebte, so-viel ich konnte, in den Geist dieser beiden Schrift-steller und besonders des Seneca einzudringen. Ich hatte eine Jugendfreundin, ein Fräulein von Rave-net^^*), die im Hause sehr werter Freunde meiner Eltern erzogen wurde. Ihr leuchteten, als die würdig-sten Beispiele weiblicher Tugend, die Gemahlin und Schwiegermutter ihres Pflegevaters, des Regierungs-rates von Heß, vor; zwei Frauen, deren Erinnerung mir noch jetzt vorschwebt 2^^), und deren Charakter ich in der Larissa meines Agathokles zu schildern mich bestrebt habe. Josefinen, so hieß meine Freundin, mit der mich eine große Ähnlichkeit der Geistesrich-tung verband — denn auch sie erhielt

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