Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
zerbrechen hätten. Alle diese An-sichten und Vorschläge waren mit Zitationen aus den Schriftstellern, die meine beständige Lektüre aus-machten, und aus denen ich jene Ideen auch ge-schöpft, belegt.
Diese Arbeit machte ich während eines Sommers auf dem Lande mit großer Liebe und ebenso großem Fleiße und fühlte mich ungemein beruhigt, getröstet, gestärkt, als ich sie vollendet und nun den Pfad für mein künftiges, einsames, aber nicht zweckloses Dasein mir fest vorgezeichnet zu haben glaubte. Was ist der Mensch und seine Entwürfe!
Ich war, wie ich schon einmal in diesen Blättern berührt, eigentlich nie krank gewesen, und ein kaltes Wechselfieber mit einer Ergießung der GaUe, die mich sehr verdroß, weil sie mich auf eine Weile sehr ent-
stellte, waren bisher meine einzigen körperlichen Leiden gewesen. Doch auch selbst während dieser kleinen An-fälle, die sich durch zwei Sommer wiederholten, lag ich nur selten und nur auf Stunden zu Bette, und meine kräftige Natur überwand den bösen Keim gänzlich.
Daß mir nur eine seltsame Geneigtheit zu Er-gießungen der Galle überblieb, die sich dann jedesmal, wenn irgendeine andere Unpäßlichkeit oder noch vielmehr ein Kummer, eine schwere Sorge mich drück-ten, durch eine gelblichere Hautfarbe offenbarte, wo-bei sich selbst im Weißen der Augen ein gelblicher Schein zeigte, diese Geneigtheit währte lange bei mir und bis in meine höheren Jahre hin2'°).
In jener Epoche aber, wo ich den obenerwähnten Aufsatz schrieb, war ich völlig gesund. Die Fieberan-fälle hatten sich nicht mehr gezeigt, ich genoß eines ungestörten Wohlseins und habe jene Krankheitszufälle nur darum berührt, um mit mehr Bestimmtheit zu zeigen, daß kein körperliches Übel damals Einfluß auf meinen Seelenzustand hatte. Dennoch hatte sich mei-ner eine Art von Todesahnung bemächtigt. Wir stan-den damals am Anfange des Winters; — ich war, Gott weiß warum, fest überzeugt, daß ich ihn nicht über-leben und der nächste Frühling mein Grab begrünen würde. Dies war mir so ausgemacht, daß ich einen prächtigen MousseHn, den ich damals bei einer Freun-din meiner Mutter, der Gräfin Truchseß Zeill^'^) zum Geschenk erhalten hatte, die ihn mir von einer Reise in die Schweiz mitgebracht, gar nicht machen lassen wollte, damit ihn die Mutter gleich behalten und für sich zurichten lassen könnte. Diese Gewißheit meines nahen Todes beunruhigte mich aber nicht im geringsten. Ich setzte sogar mit Vergnügen eine Art
Karoline von Greiner (?) ^)
Pastellbildnis von Gabriele Beyer (1786) k. k. Akademie der bildenden Künste, Wien
) Karl von Lützow (Geschichte der k. k. Akademie der bildenden Künste,
Wien 1877, S. 74 f.) bestimmt dieses Bild, wohl mit Unrecht (vgl. Bild
Nr. i), mit ,,Karoline von Greiner".
Testament auf, worin ich, da ich kein Eigentum besaß, meine Eltern bat, aus meinen kleinen Habseligkeiten von Nippen, Geschmeide usw. meinen Freundinnen Andenken bestimmen zu dürfen.
Literarisch oder eigentlich poetisch beschäftigte ich mich damals nicht viel. Mein Gefühl war zu sehr ver-letzt und meine Gedanken zu sehr teils mit jenen ern-sten Vorstellungen, teils mit wirkHchen und prosaischen Dingen erfüllt. Meine Mutter war, trotz ihres hoch-gebildeten Geistes und dem glänzenden Fuße, auf dem unser Haus eingerichtet war, ihrer Wirtschaft bis ins kleinste Detail stets selbst vorgestanden, und hatte mich schon früh ebenfalls dazu angehalten. Sie wehrte mir nicht, meinen Geist zu bilden, ja sie hielt mich, wie man sich durch die Lesung dieser Blätter überzeugt haben wird, selbst dazu an. Aber — und diese Ansicht werde ich ihr ewig, nebst so vielem andern danken — aber jene Beschäftigungen durften erst an die Reihe kommen, wenn jeder häuslichen Pflicht, jeder nötigen Arbeit ein Genüge geschehen war. Sie sagte mir oft: das Hauswesen in Ordnung zu halten, ist der Frauen erste Pflicht; diese muß streng und vollständig erfüllt werden. Bleibt uns dann Zeit übrig, so dürfen wir sie nach Gefallen auf erlaubte Dinge verwenden. Die eine geht spazieren, die zweite macht künstliche Arbeiten, eine dritte empfängt und gibt Besuche oder liest Romane; — willst du in deinen freien Stunden dich mit Poesie, mit Übersetzungen aus fremden Spra-chen (was ich ^rn und häufig tat) beschäftigen, so ist dir dies unvervvehrt; aber dem Hauswesen darf kein Abbruch dadurch geschehen.
In eben diesem Sinne hielt sie mich zur Sparsam-keit und zur Selbsttätigkeit an. Ich
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