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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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mußte lernen,
    mich soviel wie möglich überall zu behelfen, mich selbst zu bedienen und vorzüglich meinen ganzen Putz selbst zu verfertigen.« Damals waren die Frisuren künst-lich und zeitraubend; ich mußte mir, vom Wickeln und Brennen der Haare an, bis zum Putz mit Blumen und Federn alles dies selbst leisten, meine Hauben und Hüte selbst stecken, und ich lernte es endlich so gut, daß ich meinen Freundinnen hierin half, manches Käppchen oder Häubchen für andere verfaßte, und selbst meine Blumen zum Putz verfertigte. Bei diesen Ansichten war ihr nun freilich die große Liebe meines Vaters zur Musik und die Forderungen, die er deswegen an mich stellte, oft ein Anstoß. Mit Klavierspielen, Üben, Produzieren, Singen gingen viele Stunden des Tages hin, und das billigte meine Mutter wohl nicht; aber sie vermochte es nicht zu ändern, nur zu mäßigen.
    Durch vieles Lesen, besonders beim Kerzenlicht und in oft schlechtgeschriebenen Papieren, welches meine Mutter während ihres Dienstes bei der seligen Kaiserin täglich durch mehrere Stunden üben mußte, vielleicht auch durch körperliche Disposition, fingen ihre Augen eben zu jener Zeit an, sehr zu leiden. Lesen und Schrei-ben kostete sie viele Anstrengung, ich wurde also all-mählich von ihr auch in diesen Teil des Hauswesens ein-geführt und mußte für sie alle Rechnungen, Schreibe-reien, Quittungen, Briefe, Attestate, kurz alles, was in einer Wirtschaft und bei Grundbesitz (meine Eltern hatten mehrere Häuser in und vor der Stadt) ^'2) vor-fällt, verfassen lernen. Überdies ließ sie sich viel von mir vorlesen, da ihre Augenschwäche ihr diese, sonst so werte Beschäftigung nur selten gestattete.
    Man kann leicht erachten, daß meine Zeit unter diesen Umständen sehr besetzt war. Meistens hatte ich
    ein gutes Teil mehr Arbeit vor mir, als wozu der Tag hinreichte, und meine poetischen Übungen wurden ziemlich auf die Seite gedrängt. Dennoch lernte ich nach und nach meine Stunden so haushälterisch ein-teilen, die verschiedenen Geschäfte, die mir oblagen, so ineinander passen, so manche, wo es sich tun ließ, gleichzeitig verrichten, daß ich es dahin brachte, allem, was meine Mutter im Haushalt, mein Vater für seine Musikübungen, endlich unsere ganze Lebensweise an geselliger Rücksicht, mit Putz und Empfang zahl-reicher Besuche von mir forderte, zu leisten, und doch noch hier und dort ein Stündchen für einsamen Ge-nuß, der mir zum Bedürfnis geworden war, und" lite-rarische Arbeiten zu finden. Diese genoß ich denn auch mit doppelter Lust, und habe mich durch eigene und fremde Erfahrung in meinem langen Leben über-^ zeugt, daß Dichter und Künstler, die nichts als dieses g waren und sein wollten, sich selten mit Glück in dieser ^allzu unbestimmten Bahn hielten, und noch viel sel-rtener ein großes Ziel erreichten. Daß aber jene unter ihnen, die außer ihrer Kunst sich noch irgendeiner andern, ernsten Beschäftigung ergeben hatten, diese mit strengem Pflichtgefühl trieben, und die Muse mehr wie eine Geliebte, als wie ihre Hausfrau betrachteten, meist Größeres und Allgemeingültigeres leisteten. Gar 7n selten sind jene privilegierten Geister, die die Kunst in allen ihren Tiefen zu erfassen und zu halten ver-mögen, ohne auf Abwege dabei zu geraten. Selbst diese Freiheit und Ungebundenheit von jedem bürgerlichen Verhältnisse wird oft zur Verräterin an ihrer Kunst, noch öfter an ihrem sittlichen Wert oder ihrem physi-schen Wohl. Daher habe ich es stets für höchst gefähr-hch gehalten, wenn ein junger Mensch den Vorsatz
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    äußerte, sich keinen bürgerlichen Beruf zu erwählen, sondern der Kunst zu widmen, wie sich diese Leute auszudrücken pflegen. Im Grunde heiJ3t das gewöhn-lich nichts anders, als einen Freibrief suchen, um gar nichts zu tun. Hat aber einer den göttlichen Funken wirklich in der Brust, spricht die Kunst oder Wissen-schaft wirklich allmählich an sein Gemüt, so fürchte man ja nicht, wie ich es oft von verblendeten Eltern gehört, diesen Funken zu ersticken, indem man den Jüng-ling zu ernsten Berufsstudien, die Tochter zu Häuslich-keit, Fleiß und Wirtschaft anhält. Da erprobt sich erst die Echtheit der Begeisterung und durch Zwang und Hindernisse macht das wahre Talent sich Bahn, wie ich es oft erlebt habe und namentliche Beispiele anführen könnte. Carpani vergleicht in seinem Werke: Le Hay-dine^'^, wo er von diesen höhern Anlagen spricht, die der Mensch oft unbewußt in sich trägt, und die sich auch unter

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