Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
außen, in diesen be-denklichen Zeitläuften von der Vorsicht in die Hände eines dreiundzwanzigj ährigen Jünglings gelegt wurde. Wohl glaubten viele, eben darum manches befürchten und nicht viel hoffen zu können. In unserm Hause herrschte ebenfalls Trauer über diesen Todfall in einer so verhängnisvollen Epoche; aber mein Herz hatte sich im stillen zu dem gleichalterigen Prinzen gewendet.
Ich sah in ihm das Bild der Hoffnung, und mein Gefühl sprach sich in einem Gedichte aus, das ich zum Teil bei der Leichenfeier des Kaisers Leopold an unsern Fenstern dichtete, von wo man den Zug um die Kapu-zinerkirche, in der sich die k.k. Gruft befindet, sehen konnte.
Wir flehn zu Dir gleich frühverwaisten Kindern,
O tu an uns wie ältre Brüder tun!
Du kannst allein des Volkes Leiden mindern,
Du,
Du warst uns Bruder; — sei uns Vater nun!*''^)
Und Kaiser Franz wurde uns Vater, im schönsten, besten Sinne des Wortes. Meine Hoffnung hatte mich nicht getäuscht, meine poetische Vorhersagung war wahr geworden, und mit großem Vergnügen erinnere ich mich noch jetzt des lebhaften und frohen Eindrucks, den dessen Silhouette auf Goldgrund auf einer Tabatiere und mit der hübschen Aufschrift
O decus, o patriae per te florentis imago!
auf mich machte.
Im Sommer 1792 rückten nun die kombinierten Armeen der Österreicher und Preußen (zum erstenmal in friedlicher Vereinigung) ins Feld; an den Rhein und über den Rhein ^''^). Den ungünstigen Erfolg dieses Feldzugs kennt die Welt. Statt den König zu retten, war sein Tod beschleunigt worden, und statt die Greuel zu unterdrücken, die den Thronen den Umsturz droh-ten, zogen sie sie gleichsam erst recht nach Deutsch-land herüber, wo ohnedies schon längere Zeit vorher Freimaurer und Illuminaten diesen Ideen vorgearbeitet hatten: wie wenn sich jemand unvorsichtigerweise einer Feuersbrunst naht und von den Flammen, die er löschen wollte, ergriffen, diese im Fliehen mit sich fortträgt
und so das Feuer in die vorher noch ruhige Gegend bringt. Gebe Gott, daß von dieser Erinnerung ge-warnt, die Fürsten Europas den unheilschwangern Vulkan in Frankreich am besten in sich selbst verglühen und sich verzehren lassen!
Während der Krieg am Rheine begann und der un-sehge Brand entzündet wurde, der noch fast ein Vierteljahrhundert lang Deutschland verwüstete, hat-ten meines Vaters Geschäfte und auch sein Wunsch, Oberösterreich, das er zehn Jahre früher mit meiner Mutter schon einmal besucht, wieder zu sehen, die Veranlassung zu einer Reise in diese Provinz gegeben, wo meinen Eltern viele werte Freunde lebten, vor allen der Bischof Gall, eben jener würdige Priester, der mich in meiner Kindheit unterrichtet und von seinem eigenen großen Verdienst und einem glücklichen Zu- . sammentreffen der Umstände gehoben, diesen be-deutenden Platz erreicht hatte. Kaiser Josef fand es seinem, dem Adel nicht sehr geneigten Systeme zu- • sagend, würdige Geistliche bürgerlicher Herkunft zu solchen hohen Stellen zu erheben, die bisher dem lang-eingeführten Gebrauche gemäß nur Adeligen zuteil und gleichsam ihr Eigentum, auf das sie Anspruch zu haben meinten, geworden war. Mit Erstaunen, mit Freude und auch wohl mit Mißbilligung, je nachdem . die Parteien gesinnt waren, wurde die Besetzung meh-rerer Bischofstühle, wie des von Linz, von Brunn usw. durch Bürgerliche angesehen; aber wer Gall näher kannte, mußte sich seiner Erhebung erfreuen, die in religiöser und sittlicher Rücksicht ein Segen für das Land ward.
Bischof Gall hatte meine Eltern eingeladen, ihn in Linz und mit ihm seine schöne Besitzung Mondsee ^"^) (welches jetzt dem Fürsten Wrede gehört, demselben, der am Tage der Wagramer Schlacht unserer Armee den schon errungenen Sieg entriß, indem er um elf Uhr Vormittag mit seinen Bayern den bereits weichenden Kolonnen der Franzosen zu Hilfe eilte !^°^) zu be-suchen. Acht Tage ungefähr lebten wir in Linz im bischöflichen Palast ein sehr angenehmes, aber etwas geräuschvolles Leben, dann trennten wir uns von mei-nem Vater, welcher in seinen Geschäften die Kreis-ämter bereiste, während, wir, meine Mutter, mein Bruder und ich, nach Mondsee gingen, woselbst er uns in acht bis zehn Tagen abzuholen verhieß. Wun-derschön war diese kleine Reise, auf der ich zum ersten-mal in meinem Leben das Hochgebirg (denn eine Fahrt nachMariazell, als ich sechs bis sieben Jahre zählte, hatte mir keine bleibenden Eindrücke hinterlassen) und den weit ausgegossenen Attersee erblickte.
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