Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
während der-selben besuchte ihn Ffäulein L . . , seine Freundin, fleißig und pflegte seiner nach Möglichkeit. Dies alles zusammengenommen stellt wirklich ein seltsames Ver-hältnis und eine ungewöhnliche Richtung der Charak-tere dar. Von diesen Personen starb das Mädchen, das so treu, so aufopfernd geliebt hatte, zuerst, die Gräfin folgte nicht lange darnach. In ein paar Jahren darauf, als ich schon längere Zeit verheiratet war, starb auch Eberl, und, wie es bei seinem Tode erst kund ward, an einem unheilbaren Übel, das er bis dahin verheim-licht, und das ihn wahrscheinlich bestimmt hatte, nie sich in eine ernste oder gar eheliche Verbindung einzulassen.
Ich bin etwas weitläufiger, als es gerade die Be-ziehungen forderten, in denen ich mit diesen Personen stand, für die Geschichte meines Lebens in diesen kleinen Begebenheiten gewesen; aber sie dünkten und dünken mich noch in psychologischer Hinsicht nicht unmerkwürdig, und ich brachte nach so vielen Jahren
mit diesen wenigen Zeilen den Manen jener schätz-baren Menschen gern noch den Tribut einer achtungs-vollen Erinnerung.
Noch muß ich mir gestatten, an dieser Stelle, wo so vieler Vorfälle gedacht wird, die sich damals er-eigneten, und so vieler Personen, die uns zunächst um-gaben, dieser letzteren, die später mehr oder minder in meine Verhältnisse verflochten woirden, mit flüch-tigen Worten ausführlicher zu erwähnen.
Härings Familie war mit der unsrigen verwandt, darum dauerte das gegenseitig freundschaftliche Ver-hältnis mit ihnen sowohl als dem Schwabschen Hause, mit dessen Chef Härings Schwester seit langen Jahren verheiratet war, trotz jenes Bruches zwischen unsern jugendlichen Herzen fort. Ebenso alt und herzlich war unsere Verbindung mit der Kurländerschen Familie, die damals außer den Eltern aus zwei Töchtern und drei Söhnen bestand, wovon die ersten mir ungefähr an Alter glichen ^8). Später geschlossen," aber darum nicht minder warm, war unsere Freundschaft zur Familie von Mertens, des berühmten Arztes, aus der aber nur eigentlich zwei Töchter, Sophie und Henriette mir und meinem Bruder näher standen und sehr oft bei uns waren, ja im Sommer oft mehrere Wochen bei uns auf dem Lande zubrachten^sT). Dann waren mir auch jenes Fräulein v. Born und eine ihrige Kusine und ein Fräulein von Hackher^^^), v. Moter^ss)^ ein Fräulein v. Ravenet, deren schon Erwähnung geschah, die Kempelensche FamiHe^so) ^j^^ einige andere, recht werte und liebe Gefährtinnen auf den heitern Pfaden der Jugend. Ein Haus muß ich'noch erwähnen, mit
^S7
dem das meiner Eltern, schon wie ich noch ein Kind war, in sehr freundschaftHchen Beziehungen stand. Es war die FamiHe des berühmten Freiherrn v. Jacquin, die schon damals vor 60—70 Jahren, ein helleuchten-des Augenmerk für die wissenschaftliche Welt in und außer Wien war, und die auch ihrer angenehm gesel-ligen Verhältnisse wegen von vielen gesucht wurde. Wenn die Gelehrten oder gelehrt sein Wollenden den berühmten Vater und den ihm nachstrebenden Sohn (den erst vor wenig Jahren verstorbenen Josef Frei-herrn V. Jacquin^^^) aufsuchten, so sammelte sich die junge Welt um den jüngeren Sohn Gottfried^^2), den ein lebhafter, gebildeter Geist, ein ausgezeichnetes Talent für Musik, mit einer angenehmen Stimme ver-bunden, zum Mittelpunkt des heitern Kreises machte, > und um seine Schwester Franziska, die jetzt noch'" lebende Frau v. Lagusius^^^). Franziska spielte vor-trefflich Klavier, sie war eine der besten Schülerinnen Mozarts, der für sie das Trio mit der Klarinette ge-schrieben hat ^^*), und sang noch überdies sehr hübsch. Da wurden nun an den Mittwochabenden, die, seit ich denken kann, in diesem Hause der Geselligkeit ge-widmet waren, auch selbst im Winter, wann die Fa-milie Jacquin, wie jetzt Professor Endlicher2^^), im Botanischen Garten wohnte, in den Zimmern des Vaters gelehrte Gespräche geführt, und wir jungen Leute plauderten, scherzten, machten Musik, spielten kleine Spiele und unterhielten uns trefflich. Schöne Zeit der heitern, sorglosen Jugend! Liebliche Bilder längstentschwundener Freuden! Noch jetzt im Greisen-alter beschwört euch mein Geist gern herauf aus dem Dunkel der Vergangenheit und ergötzt sich an euch und gedenkt gar manches scherzhaften Vorfalls, so
z. B. des Erstaunens, ja der Betroffenheit, mit der ich als Kind von 9—10 Jahren einst auf meines Vaters Tische ein dünnes Büchelchen fand, das unser ern-sterer Spielgefährte, der ältere Jacquin, der
Weitere Kostenlose Bücher