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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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ranläßt; drittens ist das Ganze eh ein gottverdammter Schmarren.
    Nein, vom Echo irgendeiner kritischen Stimme aus dem Revier der versammelten Journaille ward nichts hörbar. Noch ruchbar. Dabei war es ein verruchter Satz.
    Die genannte, die katholische oder weniger katholische, Journaille wußte wohl auch schon prospektiv und aus Erfahrung, daß jede Kritik am, jeder Spott über den vatikanologischen Quatsch gar keine Chance hätte, die Schwelle etwelcher Wahrnehmung zu erreichen. In moderner unio mystica sind die Ecclesia und die ihr dienende Entertainermedialkultur dem Aberglauben fugenlos unterworfen.
    *
    Der sterbende Robert Gernhardt vermochte vierzehn Tage vor dem Ableben, auf seinem Totenbett, noch zu überraschen. Er, der zeitlebens, halb gespielt, halb im Ernst, nur zu gern in prunkenden Sälen auf prangenden Teppichen einhergeschritten war (bzw. zeitweise nur wäre), unentwegt behuldigt von greisen Kulturverwesern und blutjungen Kulturdämchen, – er bezeugte in unserem letzten und von der Todkrankheit kaum beeinträchtigten Gespräch stark stoisch-christliche Züge. »Ein schönes Leben« habe er geführt, und »keinen Grund zur Klage«; so er etwa wörtlich.
    Angesichts der richtig bösartig fatalitätsmäßigen Abfolge von Gattinnenkrankheit und -tod, Schlaflosigkeit, Verlegermalaisen mit erheblichen Geldverlusten, Herzinfarkt und schließlich Krebs eine eindrückliche, eine wie mir scheint sehr gottgefällige Gesinnung.
    *
    Als den »Boten aller Boten« begrüßt herzaufweichend sanft und im Verein mit zusätzlich sänftigenden Bläsern und Streichern Ariadne auf Naxos den vermeintlichen des Todes. Manchmal braucht es 49 Jahre, nach der Erstbegegnung von 1958, den Rang eines Kunstwerks zu erraffen. Oder wenigstens zu erahnen.
    Nicht nur der Komposition. Auch der Librettist Hugo von Hofmannsthal dichtet zum Höchsten: »Laß meine Schmerzen nicht verloren sein!«
    *
    Warum die wiederholte Frage von Anton Reisers Mutter hinsichtlich ihrer früh verstorbenen Tochter
    »Wo mag jetzt wohl Julchen sein?«
    nicht nur ihr und Anton, sondern 220 Jahre später auch mir noch zu jeder Zeit und ohne daß ich den nicht einmal besonders guten Roman wieder lesen müßte, Tränen der ungehemmten Wehmut in die Augen zu jagen vermag, das: gehört auch zu den Rätseln der – Literatur? Wehmut? Liebe? Es könnte, es wird wohl sogar auch an dem herzigen Namen »Julchen« liegen.
    *
    Daß das bei der fast kongruenten und volkstümlich berühmteren Frage aus Carl Zellers »Vogelhändler«-Operette
    »Wo mag jetzt des Reserl sei’?«
    aus fast kongruenten Gründen fast ebenso oft und sicher geschieht, wird selbst die weniger herzensgebildeten Interessierten unter meinen Lesern dann aber kaum mehr verwundern. Nicht falsch die Vermutung, daß hier noch ein überaus zart geschwungener, noch dazu zitherbegleiteter Melodienbogen dazukommt; annähernd zu schweigen von dem nachdenklichen und doch beinahe dramatisch fragenden Quint-Intervallsprung.
    *
    Robert Gernhardt verschied am 30. Juni 2006; mein kleiner Nachruf in der »Titanic« gelang mir mit Anstand gar nicht schlecht:
    »Natürlich war ich es wieder mal, der mit enormem Scharfblick schon früh alles gewußt hat. Der bereits 1973 im Roman ›Die Vollidioten‹ den mir damals persönlich noch fast unbekannten Robert Gernhardt als den ›vielleicht klügsten von uns‹ (S. 127) erkannt und bezeichnet hat. Nun weiß ich natürlich auch, z.B. aus Gernhardts Roman ›Ich Ich Ich‹ von 1982, daß zwischen mir und dem Erzähler-Ich eine gewisse Differenz sein kann. Allein ich hatte und hab halt trotzdem recht, frappant recht, nur zu recht. Und, sub specie mortis sei es präzisiert: Die Betonung liegt selbstverständlich nicht, wie so manche meinen möchten, auf ›vielleicht‹; sondern vielleicht doch noch mehr auf ›klügsten‹. Nicht nur ›von uns‹.«
    *
    Aus »Leben« des Freiherrn vom Stein (1856):
    »Er verfiel in die Lust des Alleswissens und Alles-Leiten-Wollens, welche Freunde und Fremde als Fäden eines künstlichen Gewebes zu benutzen strebt, und dadurch nicht selten sehr belästigt.«
    Nichts Neues unter der Sonne. War alles schon mal da, auch der Worldwebwide-Internetvernetzungs-Wahn.
    Ich hingegen werde langsam, ja zügig wahrlich autonom, ja, anders als der Herr v. Stein, richtig autark. Ich weiß nämlich weder, was Facebook ist noch was iPad noch iPod noch iTunes noch E-Book noch auch nur Chat und Chatrooms; die beiden letzteren aber, wittere ich,

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