Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
Volksfeind geworden war. Und nämlich u.a. ausgerechnet im Zusammenhang einer Adorno-Gedenkveranstaltung, zu der er einschlägige Lesestücke vortrug.
Derart bemäntelnd, daß ich etwa gleichzeitig durch jene gewisse Deckungsarbeit für Walser bzw. seinen »Tod eines Kritikers«-Roman und sogar für Möllemann auffällig geworden war, mich dabei auch noch in einem hochverdächtigen Medium an dem damals schwer sakrosankten Bubis und dem edlen Friedman vergreifend.
Wie immer das damals noch genauer gewesen sein mag und vorm darüber allmählich schläfrig werdenden Weltgericht zu beurteilen ist: Dies, den Polizeischutz, und das heißt ja nichts anderes als das berufsgeopferte Mit-einem-Bein-unterm-Galgen-Stehen: das sollten all diese Hüsche und Wallraffs und Palästekriegserklärer und Büchnerpreisklassenkämpferhelden und das ganze dafür eigentlich zuständige Geraffel erst mal nachmachen und sehr zum Vorbild nehmen.
Und mich dazu.
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»Mit neuen antisemitischen Texten von Eckhard Henscheid«, so wirbt das von mir mitbegründete Hausblatt »Titanic«, Deutschlands Satirezeitschrift, durchaus witzig; die dahinterstehende Sache ist dennoch keineswegs nur lustig:
Die Unsinns-Zeile bezieht sich auf jene Fama, welche mich mit Beginn des neuen Jahrtausends gleichsam unversehens nicht allein zum mehr oder weniger rechten und rechtsradikalen, sondern gleich auch noch zum »antisemitischen Autor« machte, sozusagen über Nacht und in einer Art synoptischen Synthese, geschmiedet von allerlei sehr Verblendeten; nämlich von mehreren »konkret«-Kommentatoren und nachplappernden Leserbriefen; zum Antisemiten oder zumindest zu einem in der Nähe dieses allseits verachteten Berufs. Zum Teil funktionierte das bestens vor dem anschwärzenden Hintergrund des damals besonders heftig florierenden und in aller »weinerlichen Moralität« (Varnhagen, Denkwürdigkeiten) kräftigst verleumderischen Correctness-Wahns der bereits zweiten Generation; z.T. noch simpler als blanker Selbstläufer, dem kaum Einhalt zu gebieten war, auch nicht mit juristischen Mitteln zu gebieten gewesen wäre. Ich war, zumindest an einschlägiger Stelle, auf einmal der Bösewicht, damit man einen hatte und halt ut aliquid fiat.
Selbstverständlich, ich muß es beteuern, habe ich in meinem ganzen Leben nicht den Hauch eines einzigen antisemitischen Satzes und Gedankens von mir gegeben. Und wenn ich angesichts seiner dreifach seltsam schillernden Milliardärsvita den damaligen Zentralrats-Chef Ignaz Bubis einen »Obergauner« genannt habe, dann wäre auch das noch lange nicht antisemitisch, wenn ich, was nicht der Fall ist, damit komplett unrecht hätte. Das bitte ich zu beherzigen und möglichst sogar mit dem Kopf zu begreifen. Man muß es der versammelten Aufpasser- und Denunziations-Linken offenbar wirklich schon sehr mühsam erklären, daß dagegen die alternierende Aussage, alle oder viele oder die meisten Juden seien Gauner, tatsächlich die Voraussetzung für den Antisemitismus-Anwurf wäre; sogar unterstellt, der Begriff oder die Metapher des »Gauners« sei semantisch und juristisch nicht allzu genau definiert und bedeute ohnehin mehr was Lustiges und jedenfalls nicht viel.
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März 2002: Luise Rinser ist tot. Da wurde es aber auch Zeit.
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Glaubt und verläßt der junge Journalist/Schriftsteller sich darauf, daß durch seine Arbeit, durch sein Werk die Welt sich verändert oder zumindest nicht grundsätzlich unveränderlich ist; so glaubt er, sagen wir ich, das etwas später schon nicht mehr, aber vielleicht doch noch, daß er und seine Worte irgend wahrgenommen werden. Später verliert sich auch dieser Glaube, nein, nichts wird mehr wahrgenommen, nichts wenigstens kopfschüttelnd bestaunt und verlacht:
Zu Rom, Ende März 2005, der Papst Woityla war noch keineswegs verstorben, sondern lediglich seit Tagen todkrank, teilte einen halben Tag vor der späteren Todesstunde am 2. April irgendein Steften von Kardinalsprecher namens Angelo Comastri dem darauf lauernden Fernsehen und mithin uns irgendwie aufbauend oder die damals schon allseitig zitternde »Spannung« ( TV -Volksmund) steigernd, mit: »Jetzt hat der Papst schon Gott berührt!«
Kein Gelächter irgendwelcher noch halbwegs Zurechnungsfähiger brach aus. Auch kein Groll theologisch-kritischer Kräfte; denn das ist ein doppelt frevlerischer Satz, erstens lebte der Papst noch, zweitens weiß man auch vom toten nicht so ganz genau, ob er da gleich Gott berührt, ob der ihn gleich an sich
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