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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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in der trüben Absicht, eine cellospielende Blondine dorthin zu locken und über diesen seltsamen Umweg der Heimatzeitung zu mir zu manövrieren, wenn schon nicht in die damals harmvoll gewaltig nervenden Münchener musica-viva-Konzerte.
    Die Cellistin rührte sich nicht, ungerührt davon aber trotzdem der nun mal bestehende »Musikzirkel«. Mit selten schlecht geschriebenen oder schlecht redigierten bzw. gekürzten Artikelchen über die schon gemeinplätzigen Klassiker von Strawinsky und Schönberg bis Berg und Webern – später sogar von Nono und, ich wurde immer frecher, Dallapiccola bis zu Stockhausens elektronischen Elaboraten – und einmal sogar über das Schaffen eines vorerst noch regionalen Paradekünstlers namens »T. Mir«, der Musik mit Kanalröhrensystemen plus Elektronik erzeugte. Bald wurden die Lügen noch kühner und abseitiger. »Wir«, i.e. ich, nahmen Verbindung auf zu einem Klagenfurter Musikzirkel ähnlicher Intention und zu seinem Leiter »Josef Strammsackl«, der bei uns in Amberg ein Gastspiel gab, einen Vortrag erstattete über neueste Entwicklungen der kärntnerischen Avantgardemusik; »wir« ließen uns auch nicht schrecken durch redaktionelle Perversionen derart, daß der Vortrag über die sich abzeichnende bzw. immerhin in Frageform insinuierte Krise dieser modernen Musik mit der Überschrift ausgestattet worden war: »Neue Musik steht vor der Entfaltung« – – zu unserer eigenen Krise, zum Finale und zur Katharsis kam es erst, als ich vom Redaktionsleiter erzählt bekam, zwei Gymnasial-Musiklehrer hätten die Zeitung aufgesucht mit dem Begehr, Genaueres über den sie sehr interessierenden »Musikzirkel« zu erfahren, um ggf. dort einen Besuch abzustatten, ja mitzuwirken – – da wurde es offenbar brenzlig; ich glaube mich zu erinnern, daß ich einfach den Schwanz einzog, das Weite der Studierstadt München suchte und den Musikzirkel wie schicklich lautlos hinter mir begrub.
    Ob es zu dergleichen Gaunereien ein Vorbild, eine Parallele hat? In der Literatur? Der Commedia? Bei Wilhelm Busch? Sicher. Gleichviel, ich vermute, daß des läppischen Musikzirkels Treiben in meiner persönlichen Satiriker- und auch Romancierwerdung eine ähnlich symptomatische Rolle spielt wie z.B. Konzertkritiken in der Heimatzeitung über Sinfoniekonzerte, die ich gar nicht besucht hatte. Oder über irgendein Theaterstück von Georg Kaiser, das ich zusammen mit meinem Freund und Inspirator Dieter Meiller vom Nebenzimmer der Theatergastwirtschaft aus mit meiner Zeitungskritik bedachte. Aufgrund lediglich des Programmhefts mit der Personalliste – wobei wir den letzten, der drauf stand:
    »Ein Hausmeister: Georg Winter«
    als Figur und Schauspieler ins Zentrum unserer Besprechung zu rücken nicht verfehlten. Ihn, den Hausmeister (wir wurden wohl immer übermütiger), habe Kaiser unterschwellig, ja klandestin als »Prototyp seines neuen Menschenbilds im Sinne der expressionistischen Menschheitsdämmerung« vorgestellt usw. usf.
    Zum »Musikzirkel« zurück: Hic et nunc an meiner späten Schreibmaschine gebe ich der halbwegs beschämten Vermutung Raum, daß mich schwerlich die damals noch vielbegackerte Schönbergsche Zwölftontechnik ans reflektierende Werk trieb; kaum auch die initiationsgebende Cellistin; sondern, und jetzt gehe ich wirklich mit mir und meinem zurückliegenden Leben zu Rate, ja ins Gericht: die sichere Honorarerwartung von 4,32  DM oder auch nur zur Not 2,08  DM für einen dann maßlos zusammengestutzten Einspalter.
    Ist es nicht grauenhaft? Auf welchen dünnen Beinchen unsere in meinem Fall sogar nachmals so mächtig einherschreitende Kultur ihre ersten Gehversuche tut? Und schon korrumpiert von 2,08  DM .
    *
    Die Erfahrung der grundsätzlichen und tendenziell unteilbaren Verwandtschaft von Kultur und Kulturgaunerei, speziell von Kultur und Journalismus als einer ganz besonders sinistren Ausprägung des Karl Krausschen Pärchens »Literatur und Lüge«: Sie wurde mir zuteil etwa gleichzeitig und auch inhaltlich synchron mit der Musikzirkel-Schimäre. Auch sie hatte sich halb von selbst ergeben, halb wurde sie von mir lüstern Hingezogenem aktiv betrieben.
    Daß zuweilen Liederabende besprochen werden ohne Ansehung von Programmänderungen, nämlich von zuhause aus; also auch mit besonderer Würdigung von Gesängen, die gar nicht stattgefunden: diese werweiß bis heute und evtl. bis hin zu Joachim Kaiser praktizierte Frechheit mal Leichtgläubigkeit, nebst dem in Impertinenz

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