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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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und die nichtswürdigen Läppischkeiten von Kupfer bis, massiert, Schlingensief, Marthaler, Katharina Wagner und gar Neuenfels – sie waren noch längst nicht geboren und unweigerlich fest gebucht, noch nicht einmal zu ahnen. Darüber später im Buch mehr – wenn ich heute meine damaligen Nürnberg-München-Bayreuther Eindrücke auf der Grundlage eines inzwischen maßvoll gewachsenen Wissens zusammenraffe, dann ging seinerzeit die bei Wagner ja nicht ganz auszuschließende und zu geißelnde, gleichsam dem Werk immanente »Moderne« kaum je über Wielands Bayreuther Fliederbusch-Abstraktionen in den »Meistersingern« und über seine »Ring«-Weltscheiben hinaus – und seine sogenannten Lichtdome waren ja, bewußt oder unfreiwillig, kaum mehr denn Erinnerung, das Spätecho von Hitler-Speers Lichtzauber anläßlich der Nürnberger Parteitagsaufzüge.
    Ja freilich, manchmal sollte man Nabokov sein und seine spezifische Sprachartikulationsmagie entleihen dürfen, den ganz besonderen Erinnerungsreiz, die vielbesagte »Aura« dieses frühen Nürnberger oder auch Bayreuther Wagner darzutun; über die jeweils keineswegs durchschnittlichen, partiell sogar superieuren Qualitäten des Nürnberger »Siegfried« von 1957 und des Bayreuther »Tristan« von 1959 hinaus. Es hängt wohl mit der frühen Unschuld der Ohren wie der relativen ideologischen Unschuld des Nachkriegsmusikbetriebs zusammen – ja, doch, ein Betrieb war er freilich bereits, auch schon das, was später meist geläufig Kulturindustrie hieß, ein Betrieb, selbstverständlich, und das in enormen Ausmaßen und da und dort schon lügenhaftester afterkunstmäßiger Gestalt, in welcher aber auch der Duft, der gesamtkunstwerklich aromatische Klang der Unschuld – – nun, ich denke, ich komme auch auf diesen prekären und offenbar synästhesienzeugenden Gegenstand bei guter Gelegenheit in möglichst bestförmlicher Weise noch einmal zurück.
    *
    Billy Wilders »Some Like it Hot« von 1958/59 habe ich wohl insgesamt achtundsiebzigmal gesehen, auf deutsch, englisch und sogar französisch, nämlich siebenmal in Paris im Kino. Es ist dieser mein Lieblingsfilm; einer von nur dreien oder fünfen von mir wirklich geschätzten, neben sagen wir »Bei Anruf Mord« und »Der unsichtbare Dritte«; in vielfacher Weise der vielleicht beste aller je gedrehten in annähernd jedem Betracht; obwohl er deshalb natürlich nie einen Oscar abbekommen hat; der etwa gleichzeitig aufgebotene »Ben Hur« und die etwas spätere »Fair Lady« haben in aller Konformität dagegen nach meiner Erinnerung jeweils gut und gerne sechs.
    In Tat und Wahrheit hätte natürlich der Regisseur und Drehbuchautor ebenso einen verdient wie das groß aufspielende Musiker-Duo Curtis und Lemmon, und auch Marilyn Monroe; aber noch hochverdienter recht eigentlich und darüber hinaus George Raft in der Haupt-Nebenrolle des »Spats«-Gamaschen-Colombo inmitten seiner Combo von vier unermeßlichen Gaunervisagen innerhalb der chicagobeheimateten »Freunde der italienischen Oper«; laut Spats: »These are my lawyers – all Harvard men!«
    Wilder und Raft haben mit ihrem gloriosen Werk aber nicht allein Filmgeschichte gezeugt, sondern womöglich auch noch eine der wichtigsten Weichen in meinem 1959 langsam sich formierenden Leben gestellt: Ohne Spats-Colombo Raft hätte ich im Verein mit dem schon vorgestellten Kumpel und Mitschüler Hermann Sittner das letzte Schuljahr bis hin zum mehr oder weniger mühvoll genöteten Abitur wohl nicht überdauert. Colombo-Rafts dreimaliges kaustisches »Wie witzig!« (»Big joke!«, »très spirituel!«) zu Beginn und zum bitterlichen Finale dieses Mannes und fast schon des Films, bei der Erstvernehmung durch den Polizeichef Mulligan, bei der Wiederbegegnung mit ihm in Florida und nach seiner Hinrichtung durch den Kleinen Bonaparte – dies »Big joke!« des schlank-soignierten und sehr elegant gewandeten Gangsters wurde ebenso Leitmelodie wie Leitplanke für mich eigentlich ja dem Reifezeugnis Entgegenstrebenden – bzw. für uns beide, die sich da fortan in Schule und Freizeit über weite Strecken in Raft-Manier verständigten, im glashart-gestochenen Unanfechtbarkeitssound samt schwer edelgaunerischer, wie gedrechselter Miene von Boss Raft: »Ich denke, Boss, wir werden heute der Anstalt« – dem Gymnasium – »und ihrem lächerlichen Lehrkörper eine empfindliche Abreibung verpassen – okay, Boss?«
    Eine hochpittoreske Chicagoer Gangstercrew der Prohibitionsjahre

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