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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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greifen zu müssen notfalls vermeinte? Nicht mal. Sondern hier und jetzt, 1961, begann und festigte sich immerhin eine fast sechs Jahre währende große romantische Liebesgeschichte bis hin zur Verlobung. Die freilich scheiterte. Aber dadurch der erregenden Sache erst recht die geradezu opernhaft-romantisch-dramatische Richtung gab. Und ich hatte an ihrem Beginn nichts Besseres zu tun als mir 365 Tagesabläufe zu merken? Der spätere, in jeder Hinsicht freie Autor als »Merker«?
    Zu befürchten ist, ich war damals eben doch kein allzu großer Lover und Romantiker. Noch schon der Autor auf dem Sprung. Gut, mag ja sein, daß hier auch ein spezieller, fast eichendorffischer Glückserwartungszustand dieses mein Vermögen erwirkte, Glückserwartung als datierte Gegenwartsfixierung, eine Art zelebraler Endorphinausstoß, ein postpubertärer Nach- und Überdruck – genug, stimmt ja doch gar nicht: Ich war früh eben kein Romantiker. Sondern halt ein Rechthaber. Eine recht präzise Kreuzung aus Thomas-Mann- und Arno-Schmidt-Leser. Sozusagen das Buchhalterischste, was es gibt. Was jedenfalls mir so einfällt. Heute.
    *
    »Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien! Schaut auf diese Stadt und erkennt, daß ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft! Es gibt nur eine Möglichkeit für uns alle, so lange zusammenzustehen, bis der Kampf gewonnen, bis der Kampf endlich durch den Sieg über die Feinde, durch den Sieg über die Macht der Finsternis besiegelt ist. Das Volk von Berlin hat gesprochen. Völker der Welt, tut auch ihr eure Pflicht!«
    Hätte ich des Berliner Oberbürgermeisters Ernst Reuter Rede »Volk von Berlin!« vom 24.4.1948 zu der Zeit schon gekannt, dies unglaublich abstruse und gründlich widerwärtige An-die-Völker-dieser-Welt-Appellationsgestammle wider die Berliner Blockade, dieses zutiefst unwürdige, weinerlich zusammengequengelte, schwerstens obszöne Gewimmere und Gejammere, ja Gejaunere, nach einem den guten Deutschen eingeräumten totalen Verzeihen –: Ich wäre wohl 1967 doch nicht der SPD beigetreten; ich tat es ohnehin mehr halbherzig und zufällig.
    Später wurde eh die »Juso innerhalb der SPD « draus, aus dieser die »Apo innerhalb der Juso« als Appendix – und eigentlich war ich ja wohl doch immer im Sinne des transgodesberger Programms mehr nur »maoistischer Kommunist mit gemütlicher bürgerlicher Moral« (Alfred Edel d.J.).
    *
    Hört man Reuters im weinerlich-überschnappenden Duktus zusammengequengelte Wimmerrede wider die Berliner Blockade auf Schallplatte wieder, dann mag man mit Leopold Ranke in der Folge Hegels freilich nur abnickend unken: »Staaten sind Gedanken Gottes«, und der nachhitlerische Spezialstaat Berlin war es offenbar nicht minder.
    Immerhin, Reuters Nachfolger Brandt war zwar, unterschiedlichen Quellen nach zu schließen, wohl praktisch die ganzen fünfziger Jahre über mäßig oder schwer betrunken; seine Rede jedoch hatte meiner Erinnerung nach allzeit Stil, Contenance, ein gewisses knorriges Charisma. Kein schlechtes Zeugnis für den Journalismus, dem Brandt einst angehört hatte.
    *
    Konkurrieren mit dem Reuterschen trüben Wortauflauf aber konnte, was der spätere Brandt-Parteivize Carlo Schmid ( SPD ) bereits am 24. Dezember 1945 der Stuttgarter Zeitung anvertraute: »Das deutsche Volk wird heuer das Weihnachtsfest in einer Freudlosigkeit feiern müssen, wie sie so dunkel und so allgemein noch nie in der Geschichte, die wir übersehen können, über die Lande ihrer Zunge hereingebrochen ist.«
    Was eine fast hehre Frechheit. Von der ich aber gleichfalls erst viel später erfuhr. Immerhin, besser spät als nie zu erahnen, auf welchen Professor die deutsche Sozialdemokratie immer so ganz besonders stolz war.
    Außerdem muß es heißen: »seiner Zunge«. Aber das macht es auch nicht weniger verworfen.
    *
    Im Jahr 1969 verrannte sich im Zuge meines Berufseinstiegs bei einer Tageszeitung der damalige Regensburger Volontärskollege Lothar Strobach anläßlich einer formlosen und gleichwohl recht heftigen Feierabenddiskussion in eine unbedachte Äußerung des ahnbaren Sinns, daß er Erörterungen zum Thema Paul  VI . (»Pillen-Paul«) als unerheblich abtat, nämlich doch bloß einen »Kackpapst« betreffend. Die Strafe folgte auf dem Fuß: Strobach hatte ab sofort den Spitznamen »Kacker« weg. Erst auf seine dringlichen Bitten hin wurde das einen Monat später wieder aufgeweicht und zurückgenommen;

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