Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
durch den Besuch des Kneitinger-Biergartens samt erlaubtem Biergenuß zu wappnen gedenke. Seinen Kern- und Glanzpunkt placiert der Artikel gleichwohl doch schon gegen Ende des ersten Absatzes: da wo endlich einmal der alte Lateinerquark, niemand möge sich vor seinem Tod glücklich preisen, auf seine Essenz kommt und mit dem ersehnten, aber sehr schwer zu bewerkstelligenden Sich-des-Türkischen-mächtig-Erweisen seine auch syntaktisch überzeugend moderne Modifikation einfährt.
»Im Lauf der Zeit«: ein ganz prima Tageszeitungs-Artikelstart. »Zeit-erscheint-einem-eine-Reihe« usw. usf.: ein klanglicher Höhepunkt nach dem anderen, richtig barockisierend. Vorzüglich das weit nachgestellte, nach unwegsamem Satzbau-Gelände zu Recht mit Komma skandierte »bekannt«. Nach diesen Adlerflügen inmitten des täglich-üblichen Provinzzeitungsworthühnerhaufens wäre eigentlich ein Pulitzerpreis fällig gewesen.
Ein andermal, vorher schon, bewies der gleiche Kollege aber auch beträchtlichen Mut, als er in seiner personalunionellen Eigenschaft als lokaler Junge-Union-Chef den durchreisenden CSU -Vorsitzer F.J. Strauß, nur um eine wohl etwas trostlose Diskussion anzuheizen, mit einer extrem obstinaten, ja richtig kritischen Frage (zu der um 1968 von Strauß noch verweigerten Ostpolitik) zu behelligen sich unterstand, ja aufwarf. Nicht wie heute meist schon unfehlbar falschzitiert »Haben Sie überhaupt Abitur?« fuhr Strauß da endlich genervt seinem Regensburger Satrapen und Intimgegner in die Parade, sondern viel schöner mit: »Sind Sie überhaupt Abitur?«
Womit der Regensburger Jungkollege verdientermaßen zum zweiten Mal ins »Gedächtnis der Menschhheit« (W. Jens, 1990) einzudriften vermag. Und der Name des leider früh Verstorbenen hier einmal genannt zu werden verdient: Eberhard Woll. Wollen wir ihm ein heiteres, nein, ein entflammtes Eingedenken glücklichpreisend wahren!
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Se non è vero, è ben credibile e onorevole:
Die von mir selber mit Hilfe eines fast beweiskräftigen Fotos in die Welt gesetzte Legende, ich sei zeitweise der Konzertbegleiter und Korrepetitor der famosen Koloratur- und noch bedeutenderen Liedsängerin Rita Streich gewesen, die ist aber natürlich erahnbar auch eine. Allerdings durfte ich diese wunderbare, wie geistbeseelte warmkühl duftende Stimme tatsächlich einmal auf dem Klavier begleiten, beim Fragmentbeginn meines Schubertschen Lieblingslieds »Im Frühling«, auf dem Hotelklavier in Regensburg im Sommer 1969.
Durfte sie davor auch kritisieren. Das von ihr am Vorabend im Konzert gebotene Mendelssohn-Heine-Lied »In dem Mondenschein im Walde« op. 19a, so trug ich behutsam, aber doch recht selbstsicher vor, sei etwas zu neckisch-anakreontisch angelegt gewesen; zu sehr noch Haydn-Mozart.
Ich bin überzeugt, Rita Streich wußte beim nächsten Mal, was sie zu tun hatte. Eine der unverbesserbaren Stimmen des Jahrhunderts hatte sie schon, »das schönste Timbre« (Christa Ludwig) unter ihren Zeitgenossinnen obendrein. Fehlte ihr nur noch mein Dreingerede.
Nicht von mir dreinreden ließen sich die Solennitäten, denen ich in der Folge noch begegnete, meist im dienend oder verehrend professionellen Zusammenhang eines Portraits o.ä.: Carlo Bergonzi, Cesare Siepi, Waltraud Meier, Christian Gerhaher. Gerhaher wagte mir sogar zu widersprechen, als ich ihm meine Bedenken hinsichtlich der Liaison comme mésalliance Schumann-Heine bei der »Dichterliebe« vortrug, welche der Bariton zumindest um 2005 im Aufgebot hatte.
Aber ich war im Recht. Wie stets.
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Um zwei Uhr früh, in einem verhatschten Wiener Nachtbeisl von ca. 1955, singt Helmut Qualtinger herzaufweichend auf den Text des äquivalent genialen Gerhard Bronner (und beide waren nicht nur für mich damals gewaltige seelische Aktivposten, und sie sind es noch), da passiere es schon mal, daß
»ma dann trist und nachdenklich wird
und ma richtiggehend philosophiert«
(Der Papa wird’s scho richten) –
Bei Heino Jaeger ist es um 1970 die Amsel, »die erfreut und hält die Menschen zum Nachdenken an«. Für die noch neuere Nachdenklichkeit ergänzt Gerhard Polt wieder zwanzig Jahre später, daß so ein oberbayerischer Saukopfwirt von einem bei ihm tellerwaschenden winzigen Bangladeshi, dem sanftmütigen Herrn Prabang, philosophisch nur lernen könne, nämlich das ökonomiepolitisch entscheidende Prinzip der bambusrohrgeschmeidigen Anpassungsfähigkeit noch gegenüber den perfidesten Brüsseler Verordnungen: »Und das gibt zu
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