Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
denken!«
Neue Nachdenklichkeit gut; aber zur »Denkwürdigkeit« reicht das natürlich noch nicht so recht. Das Würdige im, aber mindestens, Sinne Schillers fehlt. Vere dignum et iustum est. Der Dignität aber sei ein jedes Wort in diesem Buch da eingedenk. Und eben nicht dem centennialperennial penetrierenden und durchaus bedauerlichen nullundnichtigen Dummdahergerede der heutigentags eherner denn je lautgebenden Haderlumpen und Schoaßtrommeln und Brunzkacheln und »Hausmoasterdrecktrampeln« (K. Valentin).
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Memoirenbücher im weiteren und engeren Sinne, es führt kein Weg daran vorbei, zehren von Prominenten, von Begegnungen mit ihnen. Ich will, obwohl es auch in meinem Leben dergleichen gab, nichts davon mehr hören, erwähne hier aber, von Dir, großgünstige und aber auch anspruchsvolle Leserschaft, mit sanftem Drill überredet, doch drei Exempel, drei völlig atypische; nämlich nationale damals aktuelle Berühmtheiten, die sich meiner zu Zeiten ohne Not sehr freundlich annahmen.
1. Der Schauspieler und seinerzeit höchstpopuläre Edgar-Wallace-Chefinspektor Heinz Drache, der mich 1964 in München am Königsplatz in meinem VW von seinem mehr betuchten Wagen aus extrem gentil lächelnd stoppte, um mir ein bißchen verschmitzt (das war sein Film-Markenzeichen) verstehen zu geben, daß ich schon jenseits der Dämmerungsgrenze noch ohne Licht fuhr.
2. Der Kabarettist (»Lach- und Schießgesellschaft«) Klaus Havenstein. Er ermaß vorbildlich, wie ich 1974 im vierten Stock des Bayerischen Rundfunks etwas hilflos herumirrte, und geleitete mich richtig väterlich, ja schafhüterartig zum Fahrstuhl, meinen Weg zu irgendeinem Studio verantwortlich gewährleistend.
3. Der 1981 nicht mehr ganz unbekannte Schriftsteller Max Frisch, dem ich mich an der Hotelbar in Graz vorstellte, weil wir zusammen mit dem Taxi zu einer gemeinsamen Lesung fahren sollten; worauf der berühmte Autor an der Bar wie im Wagen sogar so tat, als wäre er ohne mich verloren gewesen. Vielleicht war er es auch, eventuell war Frisch da auch schon etwas, ja stark angetrunken. Aber: wie scharmant!
Keineswegs ebenso freundlich schimmert die Erinnerung an ein frühes Interview mit Herbert Wehner ( SPD ) im Brandt-Wahljahr 1969, bei dem der SPD -Altbrüllaffe wegen der harmlosesten Fragen mehrfach kurz vorm Durchknallen war. Sowie, weil wir schon dabei sind, die an ein gemeinsames Mittagessen in Mainz 1987 mit dem späteren Außenminister Jockel (»Joschka«) Fischer anläßlich eines ebenso gemeinsamen Auftritts zu einer Ausstellungseröffnung; bei welchem der gerade zum zweiten Male neuverheiratete Politiker gleichermaßen ununterbrochen Rotwein wegsüffelte wie Wichtigtuerisches daherpalaverte; um derart »in Echtzeit« (Fischer 2004) schon mal zu belegen, was er erst rund zehn Jahre später im Gespräch mit dem freilich sonst tiefverwandten F.J. Raddatz (laut Tagebücher 2010) gültig so formulieren sollte: »Kultur ist nicht mein Ding.«
In diesem Satz mit fünf Worten verstecken sich außer der schieren Wahrheit vier Unverschämtheiten: Finden Sie sie?
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So schwersterträglich das stets und ständig und unanständig, ja frevlerisch »mit Fontanescher heiterer Gelassenheit« (I. und W. Jens) vor sich hin wesende und dabei wahllos seitwärts von Fontane auch noch bei Lessing und der gesammelten Familie Mann abgrasende Ehepaar Inge und Walter Jens seit mehr als einem Dezennium sich darstellt und wohl spätestens ab 1985 geworden war:
Eine im nachhinein verblüffend freundliche und fast uneitle Person stellte sich mir in Walter Jens (samt Ehefrau) im Juni 1968 anläßlich einer Lesung in Regensburg dar und vor. Der schon damalige (bald darauf ein unvermeidliches Etikett) »Rhetorikprofessor aus Tübingen« war zu der Zeit innerhalb der belämmerten Germanisten- und der kaum aufregenderen Autorenbranche längst ein Star, eine weit überregionale Attraktion, ein Feschak, ein Grimassenartist auch bereits, obwohl er bis dahin wenig anderes zuwege gebracht hatte als ein Buch, welches statt Literaturgeschichte »Statt einer Literaturgeschichte« hieß. Das rhetorische und vor allem gestisch-mimische Talent Jensens aber war auffällig, und allein mit ihm war der viel später als NSDAP -Mitglied Geoutete schon ein Superstar für die nicht mehr ganz so bräsigen Kreise. Um so angenehm befremdlicher für mich, seinen Interviewer, wie der Gast beim Braten- und Erdbeersahneverdrücken angelegentlich auf diesen kleinen 27jährigen Provinzjournalisten
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