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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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erinnerliche Vorliebe für das erschrecklich dürftige Wortspiel »Whisky saufen« im Hinblick auf den späteren Heidelberger Poetikdozenten und »Witz-Professor« (Bild-Zeitung am 1.6.2000 über mich) entsetzlich blamabel, ja (um wenigstens eine gewisse Niveauaufbesserung zu bezeugen): ungemein gemein.
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    Und wenn ich mich recht entsinne, daß ich mit 6 nichts so lustig fand wie den Namen des Mitschülers »Iglhaut«, dann gab es wohl auch in der unmittelbaren Folge schon gewisse Fortschritte.
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    Im Mai 1961 hörte ich den Tenor Carlo Bergonzi wohl zum ersten Mal als Radames auf der gerade neu erschienenen, bis heute nicht übertroffenen 3- LP -»Aida«-Gesamtaufnahme: eine äußerst schöne, edelmütige, großmütige, feurig-generöse, dabei makellos stilisierende Stimme, eine, wie ich später realisierte, erst nach unverhältnismäßig langem, circa achtjährigem Anlauf überragend gewordene.
    Im Mai 1971 hörte ich Bergonzi an der Londoner Royal Opera Covent Garden zum ersten Mal auf der Bühne, in »Maskenball« – auch da kaum mehr als die recht allgemeine Erinnerung an eine ungewöhnlich noble, so bräunlich dunkel wie leicht nasal getönte und baritonal beheimatete Belcantotenorstimme, mehr noch nicht. Schlüsselerlebnis der Hoch- und Tiefverehrung war 1974 eine neue Canzonen- LP mit Edelpralinen wie »Core ’ngrato« und »Chiove« und »Passione« – dann aber ging’s mit der Passion rund und rasch: »Forza del destino«-Gastvorstellung im Juni 1974 in Frankfurt, dort auch wieder »Maskenball«, »Forza del destino« in Verona, nochmals »Maskenball« in Covent Garden 1975 – sodann 1977 ein journalistisch begründeter Besuch in der Sängerlogis Hotel »Due Foscari« in Busseto, nahe dem Verdi-Geburtsort, daraus resultierend ein großer und mehrere kleine Artikel – und nochmals für die nächsten vierunddreißig Jahre vertiefte Verehrung.
    Weil auch im scheinbar objektiv durch bloßes Hören qualifizierbaren Tenorfach die Schreihälse und Kurzzeitraketen und Shootingstars immer mehr und immer lästiger und immer kurzzeitiger zu triumphieren drohen; und weil sich das Medialschwungrad der Reklame dazu immer rasender dreht, seit der Jahrtausendwende nochmals zulegend – nicht daß der Tenor Carlo Bergonzi über fehlenden Beifall Klage zu führen seit 1958 viel Grund gehabt hätte, im Gegenteil: Im Jahr 2000 wurde er von einer diesbezüglich stimmberechtigten englischen Fachzeitschrift zum »Verdi-Tenor des Jahrhunderts« (!) gekürt, also vor Caruso, Martinelli, Gigli, Björling, Pavarotti usw. – und zumindest dem erleseneren Operngeschmack galt er ja allzeit im italienischen Fach als das »Feinste vom Feinen« (Marcel Prawy) – aber, worauf ich hier vielleicht hinauswill, längerer Rede bärenstarkes Ziel: Es gibt seit 2010 eine jetzt erst oder wieder veröffentlichte »Aida«- DVD von Tokio 1973, mit dem 49jährig überragend singenden Bergonzi sowie einer äquivalenten Amneris und einer so unbekannten wie großen Aida – also, wenn ich Ihnen für den Rest Ihres an superieuren Kulturschätzen ohnehin übervollen Lebens etwas vergleichsweise noch Superlativischeres aufschwätzen darf, dann –: Andiamo, odiamo!
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    In seinem kleinen Aufsatz über Gottfried Benn (1997) macht der nachgereifte Robert Gernhardt geltend, wie stark er, selbst er, einer der nicht gar zu vielen anscheinend ab ovo autonomen Köpfe, zumindest als Jugendlicher, Heranwachsender um 1955 von Legenden, Gerüchten, Konventionen oder eben wider die angebliche Konvention schon wiederum allzu konformen Meinungen und Positionen sich abhängig zeigte. Benn, damals für sehr viele Antikanon, Rettungsanker im Nachkriegssumpf der alten und neuen Konformisten, Charismatiker für beinahe alle, auch für minder Zurechnungsfähige, allgemeine Identifikationsgestalt gegen den Strich der noch immer weidlich und weihlich herrschenden schon wieder sog. abendländischen Kultur und Afterkultur der Bergengruen, Carossa, Hesse und all der anderen Zauseln – er, Benn, vermochte damals evident quasi ungeprüft auch kritische, widerspenstige, skeptische Elementargeister zu blenden, zu bestechen, zu verzaubern – sogar sie gerieten in den noch nicht als solchen durchschauten Sog irgendwelcher adaptierter Meinungsbildung. Deren Wallungswerte, Wallung gegen Unbekannt, manipulierten ganz gehörig auch den »kleinen« Robert: Mit Benn »Arm in Arm gegen die Weiber und die Spießer dieser Welt (…) Nimm mich mit, Gottfried Benn, auf die

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