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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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einplauderte, sich nach seinen Berufserfahrungen und sonstigen Einsichten erkundigte, auch nach seiner Magisterarbeit über Gottfried Keller und den »Grünen Heinrich«, damals ein Spezialfeld auch des vielfach umtriebigen Jens.
    Bezahlen mußte ich erst viel später mit der Spätlektüre des Jensschen Frühromans »Nein. Die Welt der Angeklagten« von 1950 – ein Geistesvergehen der schon wirklich alles überragenden Art; für das sich bei der vernunftlosen und umhimmelswillen unvermeidlichen Wiederveröffentlichung 1990f. Jens mit einer in abermals Fontanescher Gelassenheit formulierten Nachsichtsbitte halb selbst entschuldigte. Und das wie vordem damals auch keiner mehr las. Außer mir, zum Dank wohl für Regensburg 1968. Aber alles was recht ist: Ich empfehle den Humbug hier tatsächlich weiter: diese einen Roman simulierende Melange aus Camus-Kafka-Kasack (Orwell und Huxley kannte Jens damals wohl noch nicht), diese bedeutungshuberische und vollkommen talentfreie Debut-Fuchtelei eines genuinen Aufsteigers und Karrieristen im kaum mehr camouflierenden Mantel eines dem Weltdämon Einhalt gebietenden Prof. »Walter Sturm« – »Wildermuth« wäre aber noch eine Idee eindringlicher gewesen.
    Eine epische Brühe, Büberei, die damals selbstverständlich aber auch schon »preisgekrönt« (Hans Arsch) worden war.
    *
    Von Hermann L. Gremliza erfährt man im Jahr 2010, wie anläßlich seiner ersten Begegnung mit Herbert Wehner, noch zeit seiner frühen Tage als »Spiegel«-Redakteur, dieser ihn sozusagen stantepede angeschrien, angeblafft, angetobt und zumindest in Andeutung körperlich mißhandelt habe. Dem im Prinzip nämlichen Schicksal entging auch ich nicht, bei meinem ersten und einzigen und schon erwähnten Interview mit dem damaligen Gesamtdeutschen Minister (der Regierung Kiesinger) im Wahlkampf 1969, nämlich nach einer Rede in der Maxhütte von Haidhof/Oberpfalz. Ein Gespräch, zu dem ich keineswegs als durchtrieben schädigungswilliges Bildzeitungs- oder Nachrichtenmagazin-Spitzenjournalistenschlitzohr angerückt war, sondern als braver Juso im Dienst eines SPD -Blättchens. Bei dem damals im sommerlichen Wendewahlkampf hochrelevanten Problem der diplomatischen Beziehungen zu Kambodscha (hatte die DDR anerkannt, die Hallstein-Doktrin war irgendwie nicht länger zu halten, die mitregierende SPD in Nöten) brüllte und fauchte und zeterte Wehner los, wie vom bösen Geist gestochen und irgendwelchen außerweltlichen Abwehrstimmen hörig, so unverhältnismäßig, so unschicklich – daß ich das Gespräch beinahe heroisch verzichtend abgebrochen hätte.
    Daß dem ARD -Mann Lueg etwas später ein ähnliches Schicksal widerfuhr, tröstet wenig. Er, Wehner, war wesentlich bloß grotesk komische Figur, mitnichten Stratege, Vordenker, gar »Onkel« (Parteiidiotie). Brandt hatte später recht: ein mehr »pathologischer« Fall, den er, Brandt, vorher, um 1964, als »unglaublich loyal« fehltaxiert hatte. Aber leider stimmt auch dieser Befund nicht so ganz. Tonaufnahmen beweisen es immer noch: In den sechziger Jahren und bis Mitte der Siebziger war Wehner mitunter wirklich witzig, scharfzüngig, geistesgegenwärtig – seine damaligen Bonner Schreiereien und Scharmützel mit dem ähnlichgesinnten F.J. Strauß schimmerten tatsächlich von großem Reiz. Zum Ausklang seiner Karriere, Ende der achtziger Jahre, faselte er im Parlament leider nur mehr am Rande des bedrückendsten Schwachsinns herum. Aber selbst wenn er gegen den damals als Raufbold auch durchaus nicht üblen Strolch Strauß immer häufiger den kürzeren zog (»Herr Wehner, daß Sie soooo schnell verdummen«), behielt der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende noch stets eine letzte Trumpfkarte im Mund:
    Er war, ich schrieb es schon früher mal, zu Bestzeiten ein begnadeter Beller.
    *
    »Wo immer Juden zusammenkamen«, berichtet Ernst Piper in seinem sonst klugen und besonnenen und lehrreichen Buch über die Geschichte des Nationalsozialismus, »saß der Antisemitismus als steinerner Gast mit am Tisch.« Das kann aber nicht gut sein, denn mit dem steinernen Gast kann nur der »uomo bianco, uom’ di sasso« aus Mozarts Oper gemeint sein, also der von Don Giovanni ermordete Komtur, der aber gegenteilig, anders als der Antisemitismus von 1920, für irdische und außerirdische Gerechtigkeit sorgt und einsteht.
    Aber auch, was Oswald Spengler 1920 rednerisch zur Frühzeit der nationalsozialistischen Bewegung beiträgt: »Sozialismus in seiner tiefsten

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