Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
Bedeutung ist Wille zur Macht, Kampf um das Glück des Ganzen« – auch dieser Befund dünkt mich kaum hilfreich, und so verzichtete ich bereits 1969 vorausschauend und leichten Herzens auf die Realisierung des 1968 gefaßten Plans eines dramenartigen Texts: eines abendfüllenden Dialogs zwischen Hüttler und Spengler, der aber die ganze Verwirrung als drittes Radei des Kolumbus sicherlich nur noch stark massiert hätte. Auch die Idee, der Plan einer dramatischen Begegnung des damaligen Reichskanzlers mit dem Papst verfingen bei mir nicht. Ich ließ beide in meinem Hirn nicht mal in statu nascendi aufkommen.
Von der Hüttler-Spengler-Sache gibt es in meinen Unterlagen immerhin ein paar Versuche, Notate. Ich werde sie heute abend vernichten.
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Der Kapitalismus sei »die schicksalvollste Macht unseres modernen Lebens« teilt Max Weber irgendwann, aber noch rechtzeitig mit; allein, es sind in dieser einen Periode gleich vier Fehler:
1. ist »vollst« ein nicht zu gestattender Superlativ.
2. mahnt auch ein einfaches »schicksalvoll« zumindest unschön, genaugenommen falsch, weil man halt vom Schicksal ebenso wenig voll sein kann wie schon aber eher vom Scheusal solcher Worte.
3. ist der Begriff des »Schicksals« mit dem des Kapitalismus, ob positiv, ob negativ gewendet, einfach inkompatibel; gleich, ob man dabei mehr ans »Destino« oder ans »Fatum« oder an »Moira« oder »Kairos« oder wasweißdennich denkt.
4. ist »Macht« im Zusammenhang mit »Schicksal« entweder Unsinn oder bestenfalls ein Pleonasmus. Oder halt latenter Operntitel.
Vier Fehler in einem Satz, da konnte es mit der entschiedenen Kapitalismuskritik nichts werden, geschweige denn mit der Beseitigung des Fehlervollen. Und drum schloß ich mich 1967 auch nicht den Kommunisten, sondern den Sozialdemokraten Willy Brandts an und hielt das tatsächlich ein paar nicht weiter erinnerungswerte Jahre durch.
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Das seit ca. 1965 vandalierende, später als Behelfslösung meist sogenannte (Opern-)Regietheater: Es wurde von mir fast von Anfang an und außerordentlich zäh und sogar tapfer und aber extrem erfolglos (denn die Aktivbeteiligten, die Macher wie die Kritiker wie das erfolgreich genarrte Publikum, verstehen meist nicht einmal den Gegenstand und sein Thema) bekämpft, am umfänglichsten im besonders schmachvollen Fall H. Neuenfels und seiner »umstrittenen«, in Wahrheit lediglich debilen und vom Start weg fast exklusiv unumstritten umjubelten Frankfurter »Aida« von 1981. Aber den nachhaltigsten, zumindest virtuosesten, wenn auch gleichfalls überhörten Wortbeitrag wider den gesamten gesammelten und verrammelten und verratzten Schmä lieferte dann doch ein eigentlich Fachfremder: Hermann Gremliza, ca. 1988 im Falle Peter Zadek und seiner Hamburg schwer erregenden »Lulu«. Ein Glanzstück (wiederabgedruckt in H.L.G., Frau Schwarzer, 1990), das als solches und sonst schon vergessenes in voller Länge wiederzitiert zu werden wohl verdient:
»Im Deutschen Schauspielhaus hat Peter Zadek seine ›Lulu‹ inszeniert. Ich war nicht dort, weil ich vor zehn Jahren Zadeks ›Wintermärchen‹ gesehen habe, und man soll nichts übertreiben. Auf den Plakaten hatte Zadek der Lulu die Möse, auf der Bühne den Busen blankziehen lassen, und die Elbchaussee soll sich krank gelacht haben vor Begeisterung. Einige Premierenbesucher wurden direkt um ihre Meinung gefragt, darunter die Schauspielerin Monika Peitsch, die ja sozusagen von Namens wegen mit Wedekind zu tun hat:
Zadek ist zu dem komplizierten Stück sehr viel eingefallen. Ich bin begeistert. Seine Inszenierung ist sehr heutig.
Vielleicht sagte sie aber auch: häutig – das ist bei der herrschenden Sprechkultur nicht auszumachen. Eine andere Autorität, der ›Pelzdesigner‹ Dieter Zoern, der also tatsächlich Häute für Leute von heute zuschneidet, erwies sich als kongenialer Zadek-Kritiker:
Die Inszenierung amüsierte mich von Anfang an, der Wedekindsche Background kommt dabei nicht zu kurz. Vor Oswalt Kolle wäre man vielleicht prüder gewesen, aber die junge Generation nimmt an der Freizügigkeit wohl kaum Anstoß.
Amüsemang mit Background und Oswalt Kollescher Freizügigkeit: knapper und präziser läßt sich diese Regiekunst nicht fassen. Der Filmemacher Hark Bohm hat noch etwas nachzutragen:
Ganz großartig, ich bin sehr überrascht, daß man diese fünf Stunden überhaupt nicht bemerkt hat.
Da ist es ihm gegangen wie mir in einem seiner Filme, den ich vor Jahren sah: Als die
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