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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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Allein, Freude nur und ausschließlich am Sieg, Freude am Sieg wie leider die barbarischen Kämpfer der Ilias und noch leiderer alle aktuellen von Hüttler über Moche Dajan bis Bush sie verspürten, im Zweifelsfall wie 1990 Saddam Hussein noch am eingebildeten: Keiner ist mir persönlich bekannt, der da doch auch mal eine Schlacht, einen Krieg verlieren, freiwillig verlieren, mutwillig in die Knie gehen, gern ins Gras beißen wollte – ach nein, der ungamperte Preußenprinz von Homburg ja schon am allerwenigsten.
    Nur wenige, allzu wenige Kampfgenossen finde ich auch wie aber immerhin etwa in Gottfried Kellers Heinrich Lee und Moritz’ Anton Reiser, die sich im Lauf der jeweiligen Romane gewissermaßen immer virtuoser ihrer sich massierenden Schmach, ihrer Niederlagen, ihrer auf ihre Art ja auch ersprießlichen Lebensniederlage erfreut hätten. Dabei besäße das Prinzip – wie das circa synchrone, die von Franz von Assisi miterfundene Armut als Armutsfreude – tatsächlich so manche ernstliche Vorteile. Etwa jenen, den das englische Wahrwort anspricht: »If all is bad it’s good to know the worst«, ein von Kafka vielfach thematisiertes Wort und Prinzip – oder, wie es mehrfach in meinen eigenen Romanen schon frohlockend heißt: »Der Tiefpunkt meines Lebens – jetzt war er erreicht« u.ä.; oder auch, Ausbund von Dialektik, Freude als »Wehbehagen« (Alfred Polgar) in der volkstümlichen Formation, in dem Gefühl, mit dem sich Kunst und höheres Menschtum schiedlich die Hand reichen, um Hiob und Jeremias gleichermaßen in einem Streiche hinter sich zu lassen: Mensch, ist mir schön schlecht!
    Ob ich damit sagen und zum unbestechlichen Ausdruck bringen will, ich selber sei ein Freund der Niederlage, der »Kultur der Niederlage« (Wolfgang Schivelbusch)? Nicht gerade. Aber, es ist vermutlich eine Art beklommen katholische Grundprägung, hergeleitet unvermeidlich vom gekreuzigten Niederlagengott ihmselber, was mir allzeit und unverdrossen und durchaus hilfreich das Gefühl für eine notwendige Balance imprägniert hat, ein elementares Einverständnis damit, daß das Leben zwischen Sieg und Niederlage bestenfalls ein ganz knappes, karges Unentschieden einräumen kann und will, daß ich also noch im Bewußtsein verdienten, hochverdienten Erfolgs – –
    Ach was. Vielleicht kommt und kam immer dem wahren Sachverhalt näher, daß, wäre ich nicht andererseits zu bequem, sie zu erdulden, die nur scheinbar bedrückende Niederlage mein arteigentümlich-gehöriges Revier, mein autochthones Metier gewesen wäre. Bietet sie doch viel mehr Perspektiven, vor allem die ganz und gar unvergleichliche Möglichkeit, sich mühvoll stöhnend wieder hochzurappeln –
    Und deshalb: waren auch meine Autos: fast immer sehr klein. Und z.T. noch unterm Niveau vom Inspektor Columbo. Einer aber geradezu klassischen Gewinnertype!
    »Wollust ward dem Wurm gegeben«, so abermals Schiller, und das gilt ja vornehmlich mit der Ergänzung: Ihm vor allem. So daß, laut Ratzinger (Christentum, 1968, S. 319), Gott selbst zum Wurm zu werden sich einst hinreißen ließ. Jawohl.
    *
    Ach nein, banaler Siegertyp war ich gewiß nie – noch wäre ich es gern gewesen. Schon auf dem Gymnasium, damals noch genannt Oberrealschule, rangierte ich eigentlich immer lieber als Zweitbester, Subprimus hieß es dortmals noch, auch der Drittbeste war mir sehr recht. Die etwas untergeordnete Stellung entband mich unbewußt der allzu verbindlichen Verantwortung – und gelegentlich infolge »einer Art von Dummheit« (Anton Reiser, 2. Buch) auftretende schmähliche und schmählichste Noten empfand ich also wahrscheinlich schon, wie später manches Auf und Ab, als produktive, zumindest erheiternde Unterhaltung, sollte es nicht noch verheerender dazu kommen, daß »die Welt vernüchtern« (August von Platen, 1821) möchte, und genau darum alle gebündelten Kräfte – –
    Nein, ein Denken nur in Sieg-Niederlage-Antagonismen lag mir nicht und keineswegs wie Achill und seinen gleichgestrickten, schon etwas sehr dümmlichen Genossen – und es hängt damit wohl sogar stark mein ehernes und im Lauf der Zeit noch zunehmendes grundsätzliches Unverständnis von Geschichte zusammen. Nicht bloß von Militärgeschichte, sondern jeglicher: Ich kapiere ebensowenig den Versailler Schmachfrieden wie den ihm vorausgehenden Dolchstoß wie gar den Reichsdeputationshauptschluß. Was das ist. Und was uns der wohl soll. Eine Art Ladenschluß für Deputierte zur

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