Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
Hauptverkehrszeit? Bloß ein lustiges Wort zur Unterhaltung der um 1803 sonst gar zu gelangweilten Deutschen?
Nein, das exklusive Vorrecht des Siegs vor der Niederlage, sogar ihr Streit, war mir immer sehr fremd. Dem widerspricht allerdings kaum meine früh entdeckte und großväterlicherseits durch anfeuernde Zurufe geförderte Freude an geistiger und leiblicher Rauferei, »nach neuem Würgen sich sehnend« (Schwab, Ed. 1986, S. 540) wie der Griechenpelide war auch ich und allzeit. Ob ich dabei ebenfalls stets und unentwegt Bosheit und Haß und Verfolgung »schnaubte« (Apg. 9,1), wie manche schlecht unterrichteten Köpfe später immer wieder mal in meinem Fall wähnten und mit sinkender Tendenz heute noch übelreden, das entzieht sich meiner präziseren Erinnerung. Ich lasse das – nein, ich lasse das hier keineswegs dahingestellt, sondern ergreife die letzte Gelegenheit beim Schopf, die volle Wahrheit richtiggehend brünstig brüllend zu enthüllen: Was ich mir »sehnlichst« (Kurt Georg Kiesinger) wünschte, das wäre also – nun mal sagen wir: den Friedens preis des Deutschen Buchhandels, und sei es als Nachfolger des blitzdummen F. Schorrlemming o.s.ä. und, was auf Dauer eh nicht zu verhindern sein wird, der sogar noch vielviel unerquicklicheren, ja moralisch übelsterdings unzurechnungsfähigen Bischöfin Käßmann. Der irgendeinen Courage-Preis o.s.ä. zu verleihen bzw. den verliehen zu bekommen, unlängst (März 2011) ja gerade noch einmal vereitelt werden konnte.
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Ich weiß nicht mehr, was mich vor werweißwievielen Jahren dazu gebracht hat, allem Volk mitzuteilen, ich sei »der viertbeste Prosaautor der Nation«.
Noch weiß ich aber: Alle haben’s geglaubt. Allerdings, es stimmt natürlich nicht. Selbstverständlich bin ich so triumphal wie harmvoll bereits nur der drittbeste.
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Was aber höre ich anläßlich der häuslichen Kaffeestunde gerade von einer Gutunterrichteten? Daß schon im Jahr 1806 diverse deutsche Militärmannschaften gegen den Napoleon lieber freiwillig verlieren als kämpfen wollten. Das wiederholte sich dann, von S. Herberger weitschauend nach vorn ins Finale hineingedacht, immerhin noch beim 3:8 gegen Ungarn in der Schweiz 1954.
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»Warum, wieso, weshalb oder auch weswegen« (Oskar Zirngiebl) hängen die Menschen womöglich aller Zeiten und Zivilisationen derart an der Idee, am Wahne des Gewinnens? Der Siegwille, höre ich aus Ihren Leser-Reihen raunen, wäre ein Gebot, ein Trick der Evolution? Einer ihrer Dachschäden! Die Evolution, Abt. Survival of the Fittest, darf sich nicht wundern, wenn unter diesem ihrem Gesetz nur und ausschließlich allzu tüchtige Schlumpfköpfe und Schrumpfhirne überleben. Vorzüglich aus denen von Fußballern und ihren Plappermäulern hört man jederzeit und zuletzt vermehrt, der Zweitsieger zu werden sei gar nichts, sei nur »Schnee von gestern« (Paul Breitner). Lohne nicht der Erwähnung, des Feierns und schon gar nicht des Gedenkens. Welches bei Sportlern allerdings ohnehin längst und im Sinne des Posthistoire gegen null tendiert, als eben Schnee von ge –
Gibt es wenigstens eine Sportart, in welcher man möglichst verlieren soll? In England hat oder hatte es immerhin gewisse Esels- oder Hahnenrennen, bei denen (ich habe mich anläßlich einer Studienreise 1971 überzeugt) immer der letzteintreffende, der langsamste gewinnt. Unter erheitertstem Jubel gewinnt. Hm. Und: Immerhin beim Skat und beim verwandten bayerischen Schafkopf hat es die Spielmodalität des Null ouvert, bei welcher der Triumph im Nichtstechen, im Einsacken von null Augen besteht. Und beim Schafkopf ist zwar der verwandte sog. Bettelsolo inzwischen und verräterisch genug überall abgeschafft. Ich selber erinnere mich indessen eines von mir wohl stark betrunken riskierten Herzsolos von 1965, bei dem ich zwar tatsächlich einmal stach, aber es waren vier Nichtser, also nullkommanull Augen –
Hohngelächter umbrandete mich seinerzeit einerseits. Aber war’s nicht doch, wie laut Henriette Vogel der Tod, der Höhepunkt, die mir damals schon zuteil gewordene schärfste »Würze des geschmacklosen Lebens«?
Doch. Jedenfalls wird bei meinem anhaltenden Desinteresse am Kriege im Verein mit dem Unwillen zu Macht und Sieg meine nachhaltige Weigerung, im Gefolge Neidhardt v. Gneisenaus eine militärische oder gar höhere Offizierslaufbahn anzutreten, nur allzu verständlich, ja fast plausibel.
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Im Mai 1971 war es, da wurde ich als Sexualverbrecher verhaftet, auf der
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