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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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A3-Autobahnausfahrt Haßfurt-Gerolzhofen – vorübergehend und mit erhobenen Armen verhaftet. Auf der Polizeiwache Gerolzhofen stellte sich rasch heraus, daß meine Kollegen Rosema und Genazino und ich einer Verwechslung mit allerdings wirklichen Sexualtätern zum Opfer gefallen waren. Es war die, bisher, einzige Verhaftung meines Lebens, meine Weste blieb m.W. trotz mancherlei Widrigkeiten und Funestitäten fortan sehr sauber, vielleicht weil ich ja den Warnschuß vernommen hatte. Wir befanden uns nämlich auf der Rückreise nach Frankfurt, nach einem Besuch beim berüchtigten Kirchenkritiker Karlheinz Deschner in Haßfurt – gut, der Schuß aus der nervös auf uns gerichteten Dienstpistole des verhaftenden blutjungen Polizeibeamten, der Schuß auf uns vermeintliche Missetäter fiel nicht, er war aber nah dran und insofern kein völliger Schuß in den Ofen. Der Herr läßt nun mal seiner nicht spotten, ich beherzigte es fortan gewissenhafter noch und wandte mich ab von der um 1970 meist im Schatten Deschners häufig geübten Religions-, Kirchen- und Klerikalkritik und schrieb nur noch ganz ausnahmsweise Satiren auf Gott, der ansonsten über mich und mein Treiben wieder »mit großer Mühe grübeln« (s. Psalm 139) müßte. Und wenn ich noch schrieb, dann schon lieber über seine Woitylas und Ratzingers und die Bischöfin Käßmann, die vor allem, das gottlose Luder.
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    Es war im Jahr 1972, da glaubte ich im Rahmen eines hessischen Graduiertenstipendiums, um meine vermeintlich leeren Batterien wieder aufzuladen, eine germanistische oder kulturwissenschaftliche, wie es damals wohl schon hieß, Doktorarbeit über die »Kategorie der Peinlichkeit in der deutschen Literatur« bewältigen zu sollen. Die Arbeit war auch bereits genehmigt und vorabbelobigt, blieb aber dann wegen Versiegens der staatlichen Quelle erst mal liegen.
    Viel später war es, da wurde nach dem Beinahekanzler Bj. Engholm (1994) z.B. auch zumindest tendenziell der Baron zu Guttenberg als lautere Leitfigur von uns genommen (2011). Dabei hatte noch am 16. Februar 2011 unser aller Franz Josef Wagner so eindrucksvoll in der »Bild«-Zeitung geschrieben: »Macht keinen guten Mann kaputt! Scheiß auf den Doktor!«
    Er, Wagner, ist wirklich der Leitwortgeber, die Leitfigur des neuen Jahrhunderts, des Jahrtausends. Das deutsche Volk parierte ihm und erhöhte die Zustimmungswerte für zu Guttenberg von ca. 66 auf 82, ja 87 Prozent. Ich aber zog gleichfalls die kummervollen Konsequenzen und habe deshalb das Doktor-Projekt von 1972 bereits damals fallen lassen.
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    »Mein tummes leben wolt ich verkeren, das ist war« (Oswald von Wolkenstein), aber im Grunde nur einmal, ein einziges Mal, das ist auch wahr; ebenfalls 1972, als ich unterm Einfluß und Panier eines einschlägigen Arztes schon mehr als mit dem Gedanken spielte, in die Entwicklungshilfe, Abt. Projekthilfe Fernostasien, einzugreifen, als eine Art Pressewart des kleinen Unternehmens, moderner gesprochen, als Medienkommunikator o.ä. – aber weil man im Leben nur drei Fehler machen darf, hütete ich mich am Ende doch wohl, den ersten wirklich großen sogleich in aller unbedachten »Lüderlichkeit« (Anton Reiser, 3. Teil) zu tätigen und mich an der falschen Stelle nützlich zu machen, aber halt auch zu erschöpfen. Klar wurde mir noch rechtzeitig, daß meine besseren Fähigkeiten zum Aufbau und Erhalt der Menschheit eventuell doch auf einem anderen Felde liegen.
    Eine winzige Spur meines Beinahe-Mißgriffs findet sich immerhin im vorletzten Absatz des damals etwa gleichzeitig in der Fertigstellung begriffenen Romans »Die Vollidioten« (1972/73) – es ist aber natürlich genau umgekehrt als dort, den Leser und mich selbst irreführend, zum Romanfinale skizziert: »Im Pädagogischen, in der Kunst der Menschenführung und Lebenshilfe«, in »der Sozialarbeit« liegen meine Herrschaftsgebiete in Wahrheit nur sehr, sehr bedingt.
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    Neuerlich ums Jahr 1972 herum muß es gewesen sein, da hatte ich auch noch die etwas verblendete Courage, die ehemalige Satirezeitschrift-Kollegin und damals noch vielfach Frankfurt-Aufhältige Alice Schwarzer einmal nach einem Mentz-Krenz-Abend bei mir in der Appartementwohnung nächtigen zu lassen. Zwischen halb zwei und vier Uhr früh monologisierte sie, lang vor den unziemlichen Chatroomkulturen, mich im Halbschlaf halbtot. Mit Schafsgeduld, was hätte ich auch anderes vermocht, ertrug ich alles.
    Hoffentlich bedankt sie ihrerseits sich in ihren Memoiren Nr. 2

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