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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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Freundschaft mit Ror Wolf. Anlaß zu einem ersten Treff in seinem Heim in Mainz-Lerchenberg (später folgten Heime oder auch Heimstätten in Wiesbaden, Zornheim, wieder Wiesbaden, nochmals Wiesbaden, zuletzt und schon beklemmend lange wiederum Mainz) war u.a. eine gemeinsame Arbeit (für die FAZ und fürs Radio) zur bevorstehenden Fußballweltmeisterschaft, u.a. getragen vom beidseits ehernen Willen, den gemeinsam verehrten Frankfurter Stürmer Bernd Hölzenbein in Helmut Schöns Mannschaft zu schreiben, ja zu schubsen. Was auch gelang, mit der indirekten, ja eigentlich direkten Folge des WM -Titels kraft Hölzenbeins bis heute umstrittener »Schwalbe« im Endspiel gegen das fußballerisch überlegene Holland.
    Später kam es zu weiteren, insgesamt nicht allzu fruchtlosen Begegnungen und Kooperationen. Hier und heute besonderen Anlaß, Wolfs zu gedenken und dabei eine offenbar kleine Sensation bekanntzugeben, ist die Zufallsentdeckung, daß Ror Wolfs wohl beliebtestes Gedicht »Wetterverhältnisse«
    »es schneit, dann fällt der regen nieder,
    dann schneit es, regnet es und schneit,
    dann regnet es die ganze zeit,
    es regnet und dann schneit es wieder«
    in des sehr unseligen Friedrich-Rückert Endlos-Gedicht »Gestern hats geschneiet«, nachzulesen in der noch unseligeren neuen Teil-Werkausgabe, die nach unabsehbarem Abschluß später zehntausend bisher weitgehend unveröffentlichte unseligste Gedichte umfassen soll, sein frappantes Pendant hat:
    »Gestern hats geschneiet,
    Heute hats geregnet:
    Oder hats geregnet
    Gestern, heut geschneiet?
    Gestern hats geschneiet
    Nachts, und Tags geregnet.
    Heute hats geregnet
    Nachts, und Tags geschneiet.
    Wird es morgen schneien,
    Oder wird es regnen?
    Morgen auch und schneien?«
    Tja. Hirnstillstand? Geniale Wolf-Vorwegnahme? Zufall? Telekinese? Ror Wolf gibt gesprächsweise an, sein Gedicht habe ihn im annähernd ultimativen Wortlaut bei einer akkurat entsprechend trübseligen Eisenbahnfahrt überkommen. Keineswegs also unter Rückert-Einfluß, als Reminiszenz. Das dürfte stimmen. Wolf liest wenig. Rückert schon gar nicht. Er braucht’s ja auch, siehe Rückerts Vorab-Plagiat, nicht. Unseren Glückwunsch.
    *
    Es gibt eine F.K. Waechter-Zeichnung, darauf prügelt in einer Art Katzentheater auf der Bühne eine Mieze heftig auf einen Hund ein. Kommentar einer inmitten vieler anderer unverblümt billigend zuschauenden Katze: »… vor allem weiß er, was die Leute sehen wollen!«
    Daß ein gutes Drittel sämtlicher neueren Theatervorgänge und die Hälfte der Filme sagen wir seit 1945 genau so funktionieren, das müßte eigentlich so manchem aufgefallen sein, vor allem den professionellen Kinokritikern. Von »Viva Maria!« über, etwas früher, »Außer Atem« bis zum absoluten Gefrierpunkt »Bonnie und Clyde« ernährt sich die halbe Chose vom Einverständnis des Publikums damit, daß die Hunde, die Reichen und Mächtigen, von den entfernt katzenartig Kleineren bestraft und vermöbelt und beraubt, möglichst ermordet, in den edleren Fällen mit List ausmanövriert werden. Das Publikum ist händepatschend d’accord – und mehr als das: Es schmeichelt sich und den Filmemachern sowie den dahinterstehenden Ideologen damit, daß dies auch noch richtig höhere Kunst sei.
    Einige Wahrdeuter, wie Jürgen Busche, halten dafür, daß ja gleichwohl ein Film unter den drei genannten, »Viva Maria!«, es war, der, nachhaltiger als aller Marcuse, Adorno und die Studentenrevolte zusammen es taten, eben diese »Studentenrevolte«, diese besser in Anführungszeichen, samt den Baader-Meinhof- RAF -Folgen undsoweiter auslöste – »begründete« wäre ein zu hohes Wort.
    Wahrscheinlich war ich einfach vom Glück gesegnet, indem ich für die Filme wie für die Revolte gnadenreiche fünf Jahre zu früh geboren war.
    *
    Anläßlich einer Kulturbegegnungsschiffsreise Deutschland-Rußland 2004 auf einem Inselchen der Wolgamündung im Kaspischen Meer erzählte Egon Bahr fast wortgleich wie vorher und nachher mehrfach im Fernsehen, warum er bei Brandts Verabschiedung 1974 vor gierigen Fernsehkameras geweint, ja geschluchzt habe. Nämlich über den »Abgrund an Verlogenheit«, welche den Meuchelmörder Wehner beseelt haben muß, als er einen Packen Rosen oder dgl. vor jenen hinwerfend laut in den Saal rief: »Willy, wir alle lieben dich!«
    Er war wohl, Wehner, zumindest zuletzt, ein schändlicher, ein schäbiger Charakter. Der sich unter Umständen darauf rausreden kann, daß er zerebral seiner

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