Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
deutschen Kulturstaatsministers Bernd Neumann liegt seit heute, Frühlingsanfang 21.3.2011, auf dem Tisch. Er will mich kennenlernen? Und ich – ihn? Kenn’ ich nicht schon genug VIP s, hinreichend Leute insgesamt? Nein, eben doch nicht. Nein. Ich gebe Neumann eine Chance und geh’ hin. Ich will dem Minister via meine baldigen Memoiren zu etwas Inhalt, ja Gehalt verhelfen. Ihm Tür und Tor öffnen. Zu was und wem auch immer.
So bin ich.
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»In der bleiernen Zeit« (Hölderlin, Der Gang aufs Land, 1800), die in der Bundesrepubik Deutschland und lang nach Hölderlin inzwischen sprichwörtlich und sogar filmtitelmäßig manifest m.W. die Gegend um 1977/78 gewesen ist, also die mit u.a. den noch halbwegs geläufigen politischen Attentaten bis hin zur Ermordung Schleyers im Oktober 1977 im sogenannten Deutschen Herbst: In dieser Zeit selber, wenn mir recht ist, dachte ich bei dem häufiger zu hörenden »bleiern« vielleicht an die wohl tatsächlich meist mitgemeinten Baader-Meinhof-Strauß-Schmidt-etc.-Vorgänge; meines Wissens dachte ich da aber überhaupt nicht viel dabei; auch die jene bleierne Zeit auslösenden Abläufe von 1970ff. sind mir all ihrer Dateneindringlichkeit zutrotz weder allzu eindrucksvoll geblieben noch es überhaupt je gewesen.
Seltsam. Denn immerhin war ich 1969ff., also ein Jahr nach dem Frankfurter Kaufhausbrand, geographisch sehr nah an den Dingen und ihrer Symptomatik und ihren rasch fluktuierenden Realitäten dran gewesen, als Angestellter und dann als freier Mitarbeiter einer in Frankfurt erscheinenden politisch-satirischen Zeitschrift, sodann auch immer in der Umgebung ähnlicher und assoziierter Blätter, von »konkret« bis Frankfurter Rundschau – und doch: Ich erinnere mich für mein Privatleben wie für mein/unser Berufsleben keiner besonderen Echos, weder im Fall des Kaufhausbrandprozesses noch der diversen Festnahmen und Gefangenenbefreiungen und Wiederfestnahmen. Allenfalls gewisser und mehr schon ritualisch stattfindender Demos an der Frankfurter Hauptwache, diese aber viel aktiver gegen die NPD und mancherlei Berufsverbote etc. als pro oder contra Baader und Meinhof und Raspe. Und dann »Deutscher Herbst«: fast schon genauso gilb die Erinnerung an den 5.9.1977, Schleyer und der RAF -Mörder »big raushole« usw. usf.
Alte Zeiten – nicht bloß eine Binsenwahrheit, sondern eine Definition – werden erst im späten Nachhinein mehr oder weniger »mythisch«. Die Mythe von Baader und Meinhof und all den anderen Bilderbuchgestalten ist damit und heute aber auch schon wieder am Ende. Vor allem wohl wegen der ruchlosen Schnellverwertung in Buch- und Zeitschriftenwesen und zuletzt auch noch in dem albernen Eichingerfilm. In dem mit dem ständigen und über Andreas Baader hinaus törichten und unentwegt mit Bleikugeln tätigen Herumballern Moritz Bleibtreus und der Seinen auch das einstige hochambitionierte Geschwafel von der bleiernen Zeit als längst gänzlich heruntergekommene Pseudo-Mythe zweitverwertet, werweiß drittverwertet ward. Es geht das immer rasanter jetzt.
Und das bei BM/RAF von Beginn an zentrale, ja beinahe einzige Motiv, das »Toben des verruchten Eigendünkels« (s. Winkler, S. 353) – es legte sich vielleicht sogar erinnerungsverhindernd schon damals wie Blei auf meine Seele. Ich wollte wohl nie viel wissen davon.
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Es könnte im Zuge des Wahlkampfs 1976 oder auch schon 1972 gewesen sein, daß H. Kohl, der noch beträchtlich junge Kohl, anläßlich eines Auftritts in meiner Heimatstadt aus seinem Mercedes kletternd, so wie in meiner Biografie (1985, S. 218) recht getreu beschrieben, mir etwas wahllos, aber kraftvoll die Hand drückte; ehe dieselbe rechte Hand gut zehn Jahre später ein Exemplar des genannten Buchs ergriff und fast ebenso wahllos mit einem hakenartigen Krakel »Kohl« absignierte; das einzige Exemplar weltweit, das mit dieser Attraktion prunkt: meine sichere Rente für später und alle Schicksalsfälle.
Das Schicksal wollte es aber schon 2008, daß meine letzte, meine wirklich allerletzte Einlassung zum Lebewesen Kohl ein Nachruf (für die »tageszeitung«) war; der aber nicht erschien, weil der vermeintlich sterbende Kohl sich wieder einmal hochrappelte, ungeziemend überlebte, sogar nochmals heiratete und mich derart abermals ins Leere laufen ließ.
Einen weiteren – aktualisierten – Nachruf werde ich nicht mehr schreiben, o ja, ich bin durchaus lernfähig.
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Vom Mai 1974 her rührt die Bekanntschaft und auf längere Zeit
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