Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
sein bester und aber sukzeßlosester; der dickste ist »Halbzeit« und wahrscheinlich sein mißratenster. Und gleichwohl mythosbildendster. Aber bei Walser macht den stets angepeilten Überlebenserfolg wohl eh die Masse, die Summe der Fit-Faktoren und -Treffer. Einfacher zugeht es schon wieder bei der früheren, zumal bei der ganzganz früheren Literatur. Bei Dante bewirkt es wie bei Böll der Titel, auf »Divina Commedia« muß man bei diesem langweiligen Schema Himmel-Hölle-Fegefeuer ja erst mal kommen. Beim Folgetäter Milton ist es im Kern akkurat so, »Das verlorene Paradies«: so was interessiert die Leute ja immer und bis auf den heutigen Tag, was aber nun – aufgepaßt! – nicht heißt, daß jeder dahergelaufene Dieter Lattmann (an ihn hier und heute wieder mal zu erinnern, ist mir eine ganz besondere und ausgepichte Pflicht) das aufgreifen und abkupfern sollte, das geht dann garantiert besonders schief. Bei Homer war es von Anfang an gleichfalls auch der Titel »Odyssee«, in dem sich odysseushafte Naturen ebenso wohlgefallend wiederfinden konnten und heute noch können, wie die gesammelten Oblomows in Gontscharows meisterlicher Charakterstudie. Während im Fall Kafkas ausgerechnet der offensichtlich Unfitteste lang- oder zumindest mittelfristig obsiegte, ausgerechnet er! Was tun?
Nun, insgesamt kann es uns ja wurscht sein, welche Romane und überhaupt Bücher überleben und nach welchem paradarwinischen Gesetzesstiefel das ablaufen könnte. Sagen wir so: 1. Spaß muß sein, sicher. 2. Was bleibet aber, stiften die Dichter. Und drittens: Hauptsache, daß der Club 2012 nicht absteigt! Nicht schon wieder absteigt!!
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14.9.2001. Zum 60. Geburtstag passiert es und prompt, nämlich der kaum, nein, nicht mehr zu toppende Höhepunkt meines bisherigen Lebens und Daseins: Mit einem Hochglanz-Kalenderblatt »1941 – der Spitzenjahrgang« werde ich gefeiert wie noch nie, ja nämlich noch und noch, d.h.: Im Verein mit Faye Dunaway, Placido Domingo und Senta Berger! Bob Dylan! Und man denke: Bruno Ganz!
Okayokay, die Höchstfreude ist durch die gleichzeitige Abfeierung von Joan Baez etwas gemindert. Und die von Jesse Jackson, o yeah! Und, pfuiteufel, des bedauerlicherweise mit 60 noch immer hocherinnerlichen Regierabauken H. Neuenfels.
Die drei muß ich dann bis zum 70. Geburtstag noch hoffentlich hinter mich kriegen und abschütteln.
PS 2011: Hat dreimal nicht geklappt.
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Wenn es so etwas wie einen Leit- und Lieblingssatz des Jahres gibt, dann war das für das Jahr 1995, vielleicht fürs Jahrzehnt, der Trost- und Beschwichtigungssatz, den in Jeremias Gotthelfs »Anne Bäbi Jowäger«-Roman von 1843 das herzige Strohblonderl Meieli gleich mehrfach an seinen späteren Bräutigam entrichtet:
»Zürn doch recht nüt!«
Dabei war Gotthelf trotzdem zu 33 Prozent ein Problemfall; ja ein rechtes Depperl.
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Im gleichen Zeitraum, fünf Jahre vor der Jahrtausendwende, war mir freilich oftmals so recht nüt gut zumute. Sondern mehr imponderabel. Polyfaktorell? Oder doch mehr voller stigmativ insuffizienter Blümeranz? Nein: Multiplex metapsychotisch. Jedenfalls: »Wir erwehren uns der Welt durch unsere Begriffe« (Otto Weininger, Geschlecht und Charakter).
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»Die intellektuelle Verwahrlosung ist nicht einmal einen Leserbrief wert«, schreibt im Januar 1994 auf meinen mehr bescheiden-biederen Artikel »Weltwachgeister« (Über Planstellen der deutschen Gegenwartsliteratur) hin der Dr. Eickhoff (Eichhoff?) aus 72076 Tübingen an die Feuilleton-Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Schreibt ihn dann aber eben doch.
Im Sinne auch noch der wie in Tübingen jederzeit üblich logischen Verwahrlosung.
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Am Berghang campierte die elegante Frau gegenüber hochgradig intimitätswilligen Jugoslawen, kurzum lausigen Minderheiten notgeiler Ostblockbewohner, pfeilgrad querbeet randalierender strategisch tückischer und vielfach widerwärtig xylophonlärmender Yuppie-Zombies. Olé!
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2001–2011
Ü ber die große Uninteressiertheit unserer Katzen am Fernsehen« hatte ich 1979 im grundlegenden Besinnungsaufsatz gehandelt. Spätestens seit November 2006 mit dem Eintritt der neuen Hauskatze Ramon aus Ernhüll ist schon alles nicht mehr wahr. Eine neue Generation durchaus fernsehfähiger und auch ganz unschicklich, ja unleidlich fernsehwilliger Katzen ist offenbar durch zivilisationsevolutionäre Mutationsmetamorphose herangereift, buchstäblich unversehens herangewachsen. Allerdings interessiert den
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