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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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sagte sie mit einem Pariser Dialekt, der ihm viel Vergnügen bereitete. Nur in den ersten Minu ten fiel es ihm schwer, sich auszudrücken, dann war ihm das Französische wieder geläufig.
    Zuerst fragte er, warum die Begegnung so geheimnisvoll gewesen war. Er wolle begreifen, erklärte er ihr, während er den Polizei-Ford auf die Schnellstraße manövrierte, warum Eva Neidorf Hildesheimer nichts von der Begegnung er zählt hatte.
    »Ah«, sagte die Französin lächelnd, »Eva hatte ihre koketten Seiten. Sie hatte sich furchtbar über ihn geärgert und dachte, sie würde seine Eifersucht anstacheln, wenn sie zu Beginn der Vorlesung mir für meine Hilfe danken würde.«
    Diese Erklärung paßte wenig zu dem Bild, das Michael sich von Eva Neidorf gemacht hatte, und er sagte das ausdrücklich, nachdem er sich eine Zigarette angesteckt hatte. Sie fuhren bereits auf der Schnellstraße, und er fühlte ihren prüfenden Blick auf seinem Gesicht, obwohl er die Augen nicht vom Steuer lassen konnte.
    Sie seufzte schwer und erwiderte, daß er sein Wissen über Evas Persönlichkeit größtenteils von Leuten habe, die nur gewisse Seiten kannten, »die ein bißchen Scheuklappen tragen«, nannte sie es. Natürlich habe Hildesheimer Eva gut gekannt, sagte Catherine-Louise, aber er habe einiges an Eva einfach nicht sehen wollen. Obwohl er die besondere Art ihrer Selbstachtung zweifellos erkannt hatte, verstand er nicht, wie wichtig ihr seine Hilfe war, wie abhängig sie von ihm war. Sie fühlte sich im Grunde verletzt, erläuterte die Französin in einer Mischung aus Trauer und Amüsement, weil er sie von dieser Abhängigkeit befreien wollte. Die Gekränktheit einer Frau also, was Hildesheimer absolut nicht begriff, sagte sie und fügte etwas über die männliche Beschränktheit im allgemeinen hinzu. »Es ist zwar lächerlich, aber ich glaube, daß der Alte wahrhaftig eifersüchtig geworden wäre. Vielleicht nicht so sehr, wie es sich Eva gewünscht hatte, aber doch eifersüchtig. Sie wollte es ihm nach dem Vortrag erzählen«, sagte sie und seufzte. Anschließend sprach sie über die Beziehung zwischen Eva und ihr. Die geographische Entfernung hätte eine besondere Annäherung erst ermöglicht, da es Eva schwer fiel, in dauerhaften, täglichen Beziehungen Intimität herzustellen. »Es war ihr angenehm, daß wir uns ein- oder zweimal im Jahr trafen, auf den Kongressen der internationalen Gesell schaft. Wir haben uns sehr gern gemocht, und mit mir konnte sie über Patienten und das Institut sprechen und sogar über ihre Beziehung zu Ernst, und sie brauchte kein Blatt vor den Mund zu nehmen, da ich eine neutrale Beobachterin war.«
    Er begleitete sie zu ihrem Hotelzimmer. Es war luxuriös, doch sie war nicht beeindruckt, jedenfalls zeigte sie es nicht. Als sie sich nach dem berühmten Attentat in der Mandatszeit erkundigte und wissen wollte, welcher Flügel damals gesprengt wurde und wie er renoviert wurde, sah er wieder in ihre Augen und geriet vollkommen in ihren Bann. Nicht nur die geographische Entfernung, dachte er, hatte diese Freundschaft ermöglicht, sondern auch die Wärme, die Spontaneität der Französin. Denn dies waren zwei Eigen schaften, die Eva Neidorf allem Anschein nach gefehlt hat ten.
    Die zweite Begegnung fand noch am selben Abend statt, in einem kleinen Restaurant in der arabischen Altstadt, und dort fragte er sie unter anderem nach dem Vortrag. Es war schwer, erklärte die Französin, die erneut ein dunkles Kleid trug, den Text in der kurzen Zeit, die ihnen zur Verfügung stand, zu übersetzen. Eva beschäftigte die Frage, ob man in der Vorlesung unmoralische Verhaltensweisen von Patienten aufdecken dürfe. Bei Fällen von Kindesmißhandlung zum Beispiel: Soll der Analytiker therapeutisch reagieren oder soll er den Patienten klar zurechtweisen – oder vielleicht über das, was er gehört habe, der Polizei berichten. Es ging auch um die Pflicht des Therapeuten zur Diskretion. Gerade in einem kleinen Land wie Israel ist es gefährlich, wenn Therapeuten dazu neigen, wirklich private Details der Patienten in Gesprächen mit Kollegen nicht genügend zu tarnen. Es kam auch zu einer langen Debatte über die Frage, wann es verboten ist, ein Honorar für einen nicht eingehaltenen Termin zu fordern.
    Catherine-Louise Dubonnet bezeichnete die therapeutische Verbindung als gegenseitig verpflichtende, langfristige Verbindung. Deshalb hob sie hervor, muß ein Patient auch bezahlen, wenn er eine Sitzung ausfallen läßt.

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